Erzbischöflicher Besuch im Stralsunder Gefängnis

Hoher Gast hinter hohen Mauern

"Manchmal, Gott, da geben wir einfach auf, gehen in der Langeweile im Knast kaputt." Es ist ein Häftling der Justizvollzugsanstalt Stralsund, der diese Worte formuliert. Er spricht sie bei einer Andacht im provisorisch zur Kapelle umgestalteten Besucherraum des Gefängnisses. Anlass ist ein hoher Besuch aus Berlin.

Autor/in:
Benedikt Angermeier
 (DR)

Der Berliner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki War am Donnerstag auf Einladung von Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) nach Vorpommern gekommen, dessen Katholiken zum Erzbistum Berlin gehören. Wie Woelki stammt sie vom Rhein und wechselte in den Osten Deutschlands. Seit Juni ist sie Mitglied des Diözesanrats der Katholiken, der höchsten Laienvertretung des Erzbistums. Nun feiert der Kardinal zusammen mit Wächtern und Häftlingen den Gottesdienst. Für viele eine dankbare Abwechslung im grauen Gefängnisalltag.



Das Gefängnis soll auch auf die Zeit danach vorbereiten, so JVA-Leiterin Kirstin Böcker. Die Gefängnisseelsorger spielen dabei eine große Rolle, wie sie betont: "In ihren Gesprächen und Gesprächskreisen mit den Gefangenen findet ein Austausch statt, der uneingeschränkt ist und nicht überwacht wird." Ein solches Vertrauensverhältnis ist die absolute Ausnahme im Gefängnis, weiß Böcker. Selbst in Mecklenburg-Vorpommern, wo die meisten Häftlinge kaum einen Bezug zum christlichen Glauben haben, sind die Gefängnisseelsorger ein wichtiger Baustein der Resozialisierung. "So halten sie Kontakt zu den Familien. Das hilft, die Angst vor der Zeit nach dem Gefängnis ein wenig zu nehmen", sagt Böcker.



"Mit Gott ist ein Neuanfang möglich"

In seinen Gesprächen hört Woelki auch von den Gefangenen immer wieder davon. "Wartet die Frau, oder ist die Freundin weg - das sind natürlich Sorgen, die einen bedrängen", versteht der Kardinal. Auch die Wärter erzählen ihm von ihren Gefühlen. "Sie sind dankbar für jeden, von dem sie hören, dass er es geschafft hat, aber enttäuscht über diejenigen, die immer wieder zurückkommen". Solche Fälle zermürben und frustrieren, vor allem der Kreislauf aus Alkohol- und Drogenmissbrauch, der immer wieder in Haftstrafen endet, wie eine Justizmitarbeiterin berichtet.



"Mit Gott ist ein Neuanfang möglich", ermutigt Woelki in seiner Predigt die Zuhörer. "Dazu gehört aber, dass man Klarheit haben muss darüber, was man getan hat, was nicht in Ordnung ist", schreibt er ihnen zugleich ins Stammbuch. Diese Bereitschaft soll auch die tägliche Arbeit fördern, wie JVA-Sprecherin Michaela Hahn erklärt. Mit 140 Plätzen im geschlossenen und 80 Plätzen im offenen Vollzug ist das Gefängnis für Haftstrafen bis zu drei Jahren ausgelegt. Die darf kein Häftling einfach absitzen. "Ab dem ersten Tag beschäftigen wir uns damit, welche Perspektiven es für ihn nach der Haft geben kann."



Ungewöhnlicher Wunsch

Auch für Justizministerin Kuder steht die Resozialisierung im Mittelpunkt. Dabei setzt sie auf ehrenamtliches Engagement. "Da müssen nicht nur die Kirchen helfen, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", betont sie. "Manche Häftlinge sind nur über Kleinigkeiten gestolpert, die mit einer einfachen Beratung auch nicht wieder passieren", glaubt Kuder.



Mit einem ungewöhnlichen Wunsch verabschieden Häftlinge und Wärter den Kardinal. Nach der Andacht soll er die Liedzettel signieren. Ein Autogramm, das vielleicht zu einer der wenigen guten Erinnerungen an den Gefängnisalltag wird.