Kirche in Not sorgt sich nach dem Irak-Abzug der USA um die Christen im Norden

Zurück bleibt ein Scherbenhaufen

Fast neun Jahre nach Kriegsbeginn haben die US-Truppen endgültig den Irak verlassen. Was bedeutet das für die ohnehin schon kritische Situation der Christen im Land? Eine weitere Verschlechterung befürchtet im domradio.de-Interview André Stiefenhofer vom katholischen Hilfswerk Kirche in Not.

 (DR)

domradio.de: Erst am letzten Wochenende hat es in der Einheitsregierung von Präsident Nuri al-Maliki wieder heftig geknirscht. Ist die irakische Regierung aus ihrer Sicht in der Lage ihr Land und ihre Bevölkerung zu schützen?

Stiefenhofer: Die Amerikaner hinterlassen im Irak einen Scherbenhaufen, ein zerbröckelndes Land. Die Situation ist, dass die  Region Kurdistan im Nordosten bereits autonom ist. Und Oppositionellen, "zweifelhaften" Elementen und auch Christen Schutz anbietet, also Menschen, die im arabischen Teil des Iraks überhaupt keine Chance mehr hätten. Eine weitere Region hat jetzt die Autonomie angekündigt, das ist eine sunnitische Region. Die Regierung in Bagdad ist schiitisch. Und nach dem Abzug der Amerikaner hat der schiitische Nuri al-Maliki mit seinen sunnitischen Koalitionspartnern gebrochen, u.a. wegen dieser Autonomie-Region. Die Region ist am Auseinanderbrechen.



domradio.de: Welche Lage ergibt sich daraus für die Christen im Land?

Stiefenhofer: Die Christen haben uns immer gesagt: Die Amerikaner haben genug damit zu tun gehabt, sich selbst zu schützen. Aber immerhin haben sie eine weitere Macht im Land dargestellt. Und sie haben auch die irakischen Sicherheitskräfte ausgebildet. Wie es jetzt ohne die Amerikaner weitergehen wird, werden wir sehen. Wir von Kirche in Not waren im vergangen Mai im Land und haben angeschaut, wie es den Christen geht. Da war es so, dass im arabisch regierten Teil die Christen ständig von Kriminellen bedroht waren, die von den politischen Parteien oder von Terrororganisationen auf sie gehetzt wurden. Hier sieht man, dass schon damals weder Armee noch Polizei Schutz geboten haben. Im kurdischen Teil dagegen waren die Christen relativ sicher. Ob das jetzt so bleibt, ist sehr fraglich. Bereits Ende August hat die Türkei damit begonnen, gegen die PKK in Kurdistan vorzugehen. Das scheint Unsicherheit in die Region gebracht zu haben. Vor zwei Wochen haben wir Angriffe gegen christliche Geschäfte von Islamisten registrieren müssen. Auch in Kurdistan gärt es, das macht uns Sorge, weil hier die Christen bislang am friedlichsten leben konnten.



Das Gespräch führte Dagmar Peters - hören Sie es hier in voller Länge nach.