Der letzte DDR-Außenminister Markus Meckel würdigt Václav Havel

"Er war ein großer Europäer"

Gut vier Monate lang war Markus Meckel Außenminister der DDR. Der letzte in der Geschichte des sozialistischen Staates. Damals lernte der evangelische Pastor den am Sonntag verstorbenen Václav Havel kennen. Im domradio.de-Interview würdigt er den früheren tschechischen Präsidenten für dessen Einsatz für Freiheit und Demokratie.

 (DR)

domradio.de: Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung mit Václav Havel?

Meckel: Ich habe Václav Havel persönlich 1990 als Außenminister kennen gelernt. Wenn ich mich richtig erinnere, dann sogar erst bei der Sitzung des Warschauer Paktes in Moskau, als wir gemeinsam dabei waren, den Warschauer Pakt zu einem Ende zu führen. Gerade das war ja für ihn wesentliches Anliegen. Und später ist dann ja auch in Prag der Pakt beerdigt worden. Das war die erste persönliche Begegnung.



domradio.de: Aber seinen Namen kannten Sie schon länger?

Meckel: Natürlich war sein Name seit Charta 77 bei uns in den oppositionellen Kreisen in der DDR bekannt. Es gab verschiedentlich Solidaritätsbekundungen und die Forderung nach Freilassung des politischen Gefangenen Václav Havel. Mit diesem Bemühen um Freiheit und Demokratie war er schon seit vielen Jahren mit uns verbunden. Und er ist dann ja zur Symbolfigur für die friedlichen Umbrüche von 1989/90 geworden.



domradio.de: Sind Sie sich auch in den vergangenen Jahren noch begegnet?

Meckel: Ich persönlich habe ihn bis zuletzt immer wieder gesehen. Einmal in den 20 Jahren meiner politischen Tätigkeit als Abgeordneter des Bundestages. Uns hat verbunden das gemeinsame Bemühen darum, uns aus der Erfahrung von damals stärker für freiheitliche Bewegungen, Demokratie und Zivilgesellschaft in autoritären Systemen einzusetzen. Wir haben uns gemeinsam um die Opposition auf Kuba gekümmert. Václav Havel hatte mich eingeladen mit einer Delegation ehemaliger Oppositioneller, in Lateinamerika gerade dafür zu werben, dass man nicht nur auf Castro schaut, sondern auch die Opposition auf Kuba in den Blick nimmt und eine gewisse Einäugigkeit verliert. Bis zuletzt hat er sich dafür engagiert, dass Europa auch in der Frage der Demokratieförderung gerade in diesem Bereich ein klareres Gesicht bekommt mit einer europäischen Demokratiestiftung, die ja jetzt vom polnischen Außenminister wieder ins Gespräch gebracht worden ist, und wo wir hoffen können, dass sie im nächsten Jahr endlich gegründet wird.



domradio.de: Sie sind evangelischer Pastor, Havel  Schriftsteller. Wie war es für Sie, auf einmal einander in politischer Verantwortung zu begegnen?

Meckel: Es war, als wir uns kennen lernten, ein unmittelbares Solidaritätsgefühl da und die gemeinsame Erfahrung, etwas Neues zu bewirken. Wir wussten: Europa muss jetzt neu gestaltet werden. Das war ein gemeinsamer Wille. Er ist dann ja stark für eine EU- und NATO-Mitgliedschaft der tschechischen Republik eingetreten. Ich habe ihn dabei unterstützt, auch als es in Deutschland noch Widerstand dagegen gab, dass so schnell wie möglich die neuen Demokratien in die westlichen Strukturen eingebettet werden müssen, auch um Stabilität und eine klare Perspektive zu haben. Denn es war natürlich völlig klar: Geistig und moralisch gehören sie schon immer nach Europa. Und solch ein Mann wie Václav Havel war eben ein großer Europäer, der in einer langen geistigen Tradition stand. Und wenn er davon sprach, dass es darum ging, in der Wahrheit zu leben, machte das deutlich, dass die ein immer neues Bemühen ist.



domradio.de: Nun ist er tot. Was werden Sie, was wird Europa vermissen?

Meckel: Er war immer wieder eine Stimme, die mahnte, zu den eigenen Werten zu stehen. Und das ist etwas, das wir auch in Zukunft brauchen. Und hier kann man eigentlich nur versuchen, dann selbst in seine Fußstapfen zu treten bzw. das zu tun, was wir in der Vergangenheit auch gemeinsam getan haben: für Freiheit und Demokratie einzutreten. Und dafür, dass der Einzelne bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Václav Havel war ja ein Mann, der nicht so sehr auf politische Parteien vertraut hat, denen er oft sehr skeptisch gegenüber stand, sondern der darauf vertraute, dass Untertanen auch wieder zu Bürgern werden können, die bereit sind für Werte einzutreten, die das Gemeinwohl im Blick haben. Und die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.



Mehr zu Person: Bis 2009 gehörte Markus Meckel dem Deutschen Bundestag an. Heute ist er u.a. Ratsvorsitzender der von ihm initiierten "Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur".



Das Gespräch führte Michael Borgers.