UNICEF-Studie über Entwicklung und Wohlbefinden von Kindern

Stadt, Land, Job

Wie wohl sich ein Kind in Deutschland fühlt, hängt offenbar wesentlich von dem Ort ab, wo es aufwächst. Auch wenn Eltern Arbeit haben, geht es ihren Kindern besser. Das ist das Ergebnis einer UNICEF-Studie, die Geschäftsführer Christian Schneider im domradio.de-Interview vorstellt.

 (DR)

Die Berufstätigkeit der Eltern sei nicht nur eine Frage des Geldes, sagte der Soziologe Hans Bertram bei der Vorstellung des Berichts am Freitag in Berlin. Erwerbstätige Eltern würden den Kindern vorleben, selbst Verantwortung zu tragen. Sie würden damit zu Vorbildern.



Für die Studie haben die Forscher der Humboldt-Universität unter anderem Daten aus dem Mikrozensus und der Einkommens- und Verbraucherstichprobe 2008 sowie die Ergebnisse aus den PISA-Tests und dem LBS-Kinderbarometer zusammengetragen. Die Ergebnisse zeigten, dass die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe von Eltern starken Einfluss auf Schulerfolg und Entwicklung der Kinder haben.



Insgesamt gibt es in Deutschland nach Aussage der Wissenschaftler große regionale Unterschiede, die sich auf die Situation der Kinder auswirken. "Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind teilweise größer als zwischen den OECD-Staaten", sagt Bertram.



Hof im Allgäu oder 17. Stock eines Hochhauses

In Flächenländern fühlen sich Kinder offenbar besser als in großen urbanen Zentren wie den Stadtstaaten Berlin und Bremen, die im Ranking gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt am schlechtesten abschneiden. Eine Kindheit auf dem Hof im Allgäu verlaufe eben anders als im 17. Stock eines Hochhauses in Hamburg, sagte der Vorsitzende von UNICEF Deutschland, Jürgen Heraeus.



Das aus den Daten hervorgehende materielle Wohlbefinden von Kindern ist in Baden-Württemberg und Bayern am besten. Dass das Saarland als eher armes Bundesland in diesem Ranking auf Platz drei kommt und Brandenburg im Bereich Gesundheit und Sicherheit sogar Platz eins belegt, zeige, dass das Glück von Kindern nicht allein vom Reichtum der Länder abhänge, sagte Bertram.



Der Soziologe plädierte deswegen für regional angepasste Strategien zur Kinderförderung. Als Beispiel nannte er Österreich, wo der Großteil sozialer Unterstützungsleistungen von den Kommunen getragen werde. Auf diese Weise könnten Modelle entwickelt werden, die die Probleme der Region am effektivsten bekämpfen könnten.



Nicht alleine Geld zählt

Dass das Wohlbefinden der Jüngsten nicht vom Geld allein beeinflusst werde, zeigten auch die Daten zur Kinderarmut in Deutschland, sagte Bertram. In Mecklenburg Vorpommern leben nach statistischen Angaben 28 Prozent der Kinder in Familien, die nur 60 Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens in Deutschland beziehen, und gelten damit als arm. In Bayern seien es zehn Prozent. Betrachte man die Zahlen aber im Zusammenhang mit dem Einkommensschnitt des jeweiligen Bundeslandes, zeige sich ein anderes Bild: In Mecklenburg-Vorpommern seien dann 16 Prozent, in Bayern 15 Prozent der Kinder relativ arm.



Der Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, Christian Schneider, plädierte dafür, bei der Berechnung von sozialen Leistungen wie Hartz IV die regionalen Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen. "Die Politik muss regional unterschiedliche Voraussetzungen in den Blick nehmen", sagte Schneider. Dafür müssten Städte, Gemeinden und Nachbarschaften gestärkt werden, um Kindern eine bessere Teilhabe zu ermöglichen.