Kirchen kritisieren Rüstungsexporte und Bundesregierung

Deutschland bleibt "Spitze"

Die beiden großen Kirchen in Deutschland fordern einen Stopp von Rüstungsexporten an repressive Regime. Im domradio.de-Interview kritisiert Prälat Karl Jüsten von der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung vor allem die geplante Lieferung von Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien scharf.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Einer größeren Öffentlichkeit war Abdullah al-Saleh bisher kein Begriff. Das änderte sich in der vergangenen Woche, als die "Zeit" über den General aus Saudi-Arabien berichtete. Der Vertreter des saudischen Verteidigungsministeriums räumte dabei ein, dass sein Land den Kauf von 270 Leopard-Panzern des deutschen Herstellers Krauss-Maffei Wegmann plane. Bislang war nur bekannt, dass die Bundesregierung im Sommer die Ausfuhr von 200 Kettenfahrzeugen genehmigt hatte. Ob es jetzt zu einer Aufstockung der ohnehin schon umstrittenen Lieferung kommt, war von deutscher Seite bislang nicht zu erfahren.



Der Vorgang verdeutlicht die Brisanz vieler Waffengeschäfte, bei denen sich die Verantwortlichen auf sicherheitspolitische Interessen und zwischenstaatliche Diskretion berufen. Kein Wunder, dass es schwer ist, an Informationen zu gelangen. Zum 15. Mal versucht jetzt der Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) Licht ins Dunkel zu bringen. Ziel der am Montag vorgestellten Studie von katholischer und evangelischer Kirche ist es, öffentlich zugängliche Informationen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern zusammenzustellen - und sie vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage nach ethischen Maßstäben zu bewerten.



"Keine einfachen Urteile"

Zu Beginn ihres 115 Seiten starken Berichts räumen die Autoren ein, dass es "keine einfachen Urteile" gibt. Auch sie stehen vor dem Dilemma, dass Waffenlieferungen durchaus der Friedenssicherung dienen können. Gleichwohl brauche es dafür strikte Kriterien: Die Regierungsführung der Abnehmerländer sei ebenso zu prüfen wie die Frage, ob die Rüstungstransfers ein "gewalteskalierendes Handeln von Staaten nach Innen wie nach Außen begünstigen". Hier aber herrschen - Stichwort Saudi-Arabien - laut Studie Defizite in der deutschen Rüstungspolitik. Für den katholischen GKKE-Vorsitzende Karl Jüsten steht die geplante Panzerlieferung an das autoritäre saudische Königreich in Widerspruch zu der erklärten Absicht der Bundesregierung, die Demokratiebewegung in den arabischen Staaten zu fördern.



Die nackten Zahlen der GKKE-Studie decken sich weitgehend mit den Angaben aus dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung vom vergangenen Mittwoch. Deutschland exportierte demnach im Jahr 2010 Kriegswaffen im Wert von über 2 Milliarden Euro, eine Steigerung von 50 Prozent im Vergleich zu 2009, als Waffen im Wert von rund 1,3 Milliarden Euro ausgeführt wurden. Die Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter, also noch ausstehende Exporte, gingen mit rund 4,75 Milliarden Euro leicht zurück: im Jahr 2009 schlug dieser Posten mit rund 5 Milliarden Euro zu Buche.



GKKE: Mangelnde Regeln

Während die Bundesregierung aber betont, an den "strengen Regeln der Exportkontrolle" festzuhalten und Ausfuhrgenehmigungen erst "nach eingehender Prüfung im Einzelfall" zu erteilen, kritisiert die GKKE, dass es daran oftmals hapere. Kritisch sehen die Kirchen etwa Geschäftsbeziehungen zu Entwicklungsländern wie Afghanistan, Pakistan oder Irak. Von den im Jahr 2010 genehmigten Ausfuhren seien 15,6 Prozent an diese Staaten gegangen. Die Bundesregierung kommt in ihrer Rechnung auf nur 7,7 Prozent - weil sie beispielsweise Bewilligungen an Nato-Staaten, die zugleich Empfänger von Entwicklungshilfe seien, herausrechne, moniert die GKKE.



Eine mangelhafte Informationspolitik erschwert laut Bericht auch die parlamentarische Kontrolle der Rüstungstransfers. Der evangelische GKKE-Vorsitzende Bernhard Felmberg spricht gar von einer "Missachtung des Souveräns". Hinzu kommt, dass mit dem Bundessicherheitsrat ein Gremium über die Exporte entscheidet, dass dem Bundestag nicht rechenschaftspflichtig ist. Andererseits tun sich auch die Abgeordneten selbst schwer mit dem Thema. Es geht schließlich um ein höchst komplexes Feld, wie ein weiteres Beispiel aus Saudi-Arabien zeigt: Bis 2018 will der europäische Großkonzern EADS die 6.500 Kilometer lange Landesgrenze sichern. Die dazu gehörende Schulung der saudischen Sicherheitskräfte hat längst begonnen - mit Hilfe der deutschen Bundespolizei.