Das Verhältnis islamischer und westlicher Länder ist im Fluss

Frühlingsgefühle auf dem west-östlichen Diwan

Der Arabische Frühling hat Orient und Abendland einander näher gebracht. Von den vier Ländern, in denen die am stärksten einen positiven Meinungswandel im Blick auf islamisch-westliche Beziehungen erleben, waren drei Schauplätze eines Umsturzes: Tunesien, Bahrain und Ägypten. Allerdings entwickelt sich die gegenseitige Wertschätzung sehr differenziert.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Das geht aus einer aktuellen Studie des Gallup-Instituts in Abu Dhabi hervor. Laut der Deutung der Meinungsforscher haben die Revolutionen im Orient dort ein neues Bewusstsein für Gemeinsamkeiten mit dem Westen geweckt. Auch seien diesen islamischen Ländern mehr Menschen überzeugt, dass der Westen angesichts der Demokratiebewegung höheren Respekt vor ihnen habe.  



Für die Bewertung des Klimas zwischen islamischer und westlicher Welt erstellt das Gallup-Institut seit einigen Jahren in 50 Ländern den Muslimisch-westlichen Wahrnehmungs-Index (Muslim-West Perceptions Index, MWPI). Dabei werden Interviewpartner einer repräsentativen Gruppe nach ihrer persönlichen Meinung gefragt, wie wichtig ein gutes Verhältnis zwischen muslimischen und westlichen Gesellschaften ist, ob muslimische Gesellschaften den Westen respektieren und umgekehrt und ob mehr Interaktion zwischen den Kulturkreisen eher eine Bedrohung ist oder Nutzen bringt.



Optimismus im Senegal

In den Einzelergebnissen zeigt die aktuelle Studie, dass vor allem islamische Länder der Subsahara mit einem niedrigen Bildungsniveau und hoher wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Westen das Verhältnis am positivsten beurteilen. Den größten Optimismus in allen vier Fragen zeigte der Senegal, ein Land mit 42 Prozent Analphabeten und einem beträchtlichen Budget an Auslandshilfe. Dialog der Kulturen und Respekt vor dem Westen erreichen dort eine Zustimmung von je 96 Prozent; 76 Prozent glauben, dass umgekehrt der Westen dem Islam mit Respekt begegnet, 82 Prozent halten mehr Austausch für einen Segen.

In der gleichen Liga rangieren die Ergebnisse aus Mauretanien, Mali, Guinea und Burkina Faso.



Relativ frustriert sind hingegen Afghanen, Pakistaner und Jemeniten sowie Inder. 48 Prozent in Afghanistan sehen islamisch-westliche Interaktion als Bedrohung. Darin schlägt sich nach dem Urteil der Forscher die geopolitische Entwicklung nieder. In Afghanistan, Schauplatz stärkerer westlicher Militärinterventionen, sank der Index im vergangenen Jahr um 13 auf jetzt 36 (von 100 möglichen) Punkten. Das Land löste damit Pakistan mit der negativsten Beurteilung ab. Umgekehrt legte Irak mit dem US-Truppenabzug um 8 Punkte auf 56 zu.



Im Gesamtbild sank der Anteil derer, die in einem stärkeren Austausch Chancen sehen. Besonders auffallend ist laut der Studie die gewachsene Skepsis in den USA: Statt 70 Prozent vor vier Jahren bewerten jetzt nur noch 56 Prozent eine engere Zusammenarbeit positiv - im einem gewissen Kontrast zur Regierung unter Barack Obama, die die Notwendigkeit tieferer Beziehungen betont. Auch in Jordanien, Syrien und Bangladesch kühlen die Erwartungen ab.



Gestärkte Identifikation mit westlichen Demokratien

Nach wie vor bekunden islamische Gesellschaften mehr Respekt für westliche Länder, als Westler sich von islamischen Ländern respektiert fühlen. 82 Prozent der Ägypter erklärten, der Westen genieße gutes Ansehen im Orient; vor vier Jahren waren es noch 62 Prozent. Die Wissenschaftler vermuten hinter dem Anstieg eine durch den Umsturz gestärkte Identifikation mit westlichen Demokratien. Ähnliche Entwicklungen zeigen Libanon, Marokko, Jordanien und Indonesien. Auch westliche Befragte, unter anderem in den USA, Großbritannien und Frankreich, fühlen sich von islamischen Ländern besser angesehen als vor einigen Jahren. Aber eine Diskrepanz in der Wahrnehmung bleibt.



Von den Ländern, die ein gutes Auskommen miteinander für sehr wichtig halten, nimmt Deutschland mit 86 Prozent Zustimmung den zehnten Platz ein - als erstes westliches Land nach sechs Subsaharastaaten, Marokko, Tunesien und den Komoren. Auf dem gleichen Platz stehen die Deutschen in der Frage, ob der Westen islamische Gesellschaften respektiert (56 Prozent Zustimmung), und in der Reihe der Dialog-Optimisten nehmen sie Platz 15 ein (68 Prozent). Dagegen glauben nur 37 Prozent der Deutschen, dass islamische Länder den Westen achten; das ist der fünftletzte Rang, gefolgt von Kanada, Italien, Spanien und den USA.