Brasilien will Schutz des Regenwalds lockern

Ärger im Urwald

Umweltschützer in Brasilien laufen Sturm. Denn eine Mehrheit im Parlament will den Schutz des Regenwaldes lockern, die Großfarmer jubeln schon. Die letzte Hoffnung ist ein Veto von Präsidentin Rousseff.

Autor/in:
Gerhard Dilger
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff (KNA)
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff / ( KNA )

Brasiliens neues, heftig umstrittenes Waldgesetz hat eine wichtige Hürde genommen: In der Nacht zum Mittwoch verabschiedete der Senat eine umkämpfte Novelle. 59 der 67 anwesenden Vertreter des Oberhauses billigten die Reform, gegen die Brasiliens Umweltbewegung seit Monaten Sturm läuft. Sie befürchtet, dass die Zerstörung hochsensibler ökologischer Schutzgebiete im ganzen Land legalisiert wird.



Nun muss das Abgeordnetenhaus, das bereits im Mai eine noch stärkere Novellierung zugunsten großer Farmer verabschiedet hatte, erneut abstimmen. Vor der Unterzeichnung des Gesetzes hätte die seit Januar amtierende Präsidentin Dilma Rousseff allerdings noch die Möglichkeit, ihr Veto gegen umstrittene Passagen einzulegen. Im Wahlkampf 2010 hatte sie öffentlich gelobt, keinem Gesetz zuzustimmen, das eine Amnestie für Waldzerstörer enthält.



Möglich: Straffreiheit für Waldzerstörer

Genau dies zeichnet sich jetzt ab: Die Novelle sieht Straffreiheit für jene Landbesitzer vor, die vor Juli 2008 die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzgebiete auf ihren Ländereien zerstört haben. Größere Terrains, die im Amazonasgebiet bei 440 Hektar anfangen, müssen allerdings teilweise wiederaufgeforstet werden.



Um das Gesetz noch 2011 unter Dach und Fach zu bringen, hatte sich die Regierung mit Großfarmern bereits geeinigt. Senator Jorge Viana von Rousseffs Arbeiterpartei, ein früherer Mitstreiter der Umweltschützer Chico Mendes und Marina Silva, koordinierte jetzt die Senatsnovelle. "Wir beginnen eine neue Geschichte", sagte Viana, dank des neuen Gesetzes würden in den kommenden 20 Jahren jeweils 20.000 Quadratkilometer wiederaufgeforstet.



Rousseff schätzt die Landwirtschaft als Devisenbringer: Agrarprodukte, allen voran Soja und Rindfleisch, machen 37 Prozent von Brasiliens Exporten aus. Herausragende Vertreter des Agrobusiness wie "Sojakönig" Blairo Maggi oder Kátia Abreu vom Farmerverband sitzen selbst im Senat. Der Tageszeitung "Folha de São Paulo" zufolge bekamen im Wahlkampfjahr 2010 rund 50 Parlamentarier üppige Spenden von Firmen, die im großen Stil von der künftigen Amnestie profitieren werden.



Für die armen Urwaldbewohner und die Umwelt setzten sich hingegen zwei Senatoren der oppositionellen "Partei für Sozialismus und Freiheit" aus Amazonien ein. Sie stimmten mit Nein, "im Namen all jener, die bei der Verteidigung des Urwalds ihr Leben gelassen haben", so die Senatoren.



Gesetzesänderungen am Fließband

Während der fünfstündigen Debatte handelten konservative Parlamentarier Dutzende zusätzlicher Gesetzesänderungen aus. Ohne dass die meisten Senatoren wussten, worum es einzelnen ging, stimmten sie spätabends en bloc darüber ab. Selbst zwölf Stunden nach diesem Votum war die genaue Beschlusslage immer noch unklar. Auf der betreffenden Webseite des Senats waren die Gesetzesänderungen noch nicht eingestellt.



Der Agrarökonom José Eli da Veiga sagt düster voraus, das neue Gesetz werde vor allem den "Billigexport von Naturressourcen aus Amazonien" in Form von Rindfleisch beflügeln. Damit widerspreche es den Zielen der brasilianischen Klimapolitik und den Bestrebungen, sagte da Veiga.



Die Aufweichung des Waldgesetzes betrifft aber nicht nur den Regenwald im Amazonasgebiet. Im ganzen Land sollen Schutzgebiete an Flussufern zum Teil erheblich verringert und die landwirtschaftliche Nutzung an Berghängen und Kuppen ausgeweitet werden. Dabei kommt es schon jetzt bei heftigen Regenfällen in dicht besiedelten Gebieten regelmäßig zu großen Erdrutschen mit zahlreichen Todesopfern.



Im Blick auf internationale Klimaverhandlungen hatte sich Brasilien vor zwei Jahren verpflichtet, bis 2020 die Abholzung des Amazonasgebietes um 80 Prozent zu verringern. Auch weil im kommenden Juni ein großer UN-Umweltgipfel Rio de Janeiro stattfindet, hoffen Umweltschützer nun auf das Veto der Präsidentin.