CDU-Außenexperte für härtere Sanktionen

Gesamthaftung für den Iran

Nach dem Angriff iranischer Demonstranten auf die britische Botschaft ist auch der deutsche Botschafter aus Teheran vorerst zurückgerufen worden. Dutzende iranische Studenten hatten am Dienstag die britische Botschaft erstürmt. Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, warnt im domradio.de-Interview davor, alle Hoffnung in die Opposition zu setzen. Auch dort werde teils "aggresivst" gegen Israel demonstriert.

 (DR)

domradio.de: Ist eine solche Aktion, wie die Erstürmung der britischen Botschaft durch gelenkte Studentenproteste und das anschließende Leugnen der iranischen Regierung typisch für die Art des Katz- und Maus-Spiels, das diese Regierung schon seit Jahren mit dem Ausland betreibt?

Philipp Mißfelder: Es ist sicherlich kein Zufall, was da passiert ist. Der Iran ist ein so stark kontrolliertes Land, dass nicht vorstellbar ist, dass es zu solchen Ausschreitungen gekommen wäre, wenn die iranische Führung es absolut hätte verhindern wollen. Die Verantwortung liegt in erster Linie bei den Tätern, aber wir fordern Aufklärung, darüber, warum die iranische Regierung und die Sicherheitskräfte nichts dafür unternommen haben, die britische Botschaft zu schützen.



domradio.de: Ist es richtig, dass Deutschland auch seinen Botschafter abgezogen hat?

Mißfelder: Ich finde es konsequent, dass jetzt mehrere EU-Länder, Deutschland und Frankreich eben auch, die Botschafter abgezogen haben. Das ist auch richtig so. Das darf nicht ohne Folgen bleiben. Hier ist eine Grundregel der Demokratie, nämlich die Unversehrtheit des Botschaftsgeländes und auch der Arbeitsfähigkeit von diplomatischen Vertretungen, gebrochen worden. Das dürfen wir nicht ohne weiteres zulassen.



domradio.de: Wie gefährlich ist es, Botschaftsmitarbeiter vor Ort zu belassen? Man fühlt sich ja immer an die Botschaftsbesetzung in Teheran erinnert, die 1979 begann.

Mißfelder: Da sprechen sie einen wichtigen Punkt an. Es ist ja tatsächlich so, dass die ausländischen Diplomaten abgezogen worden sind, weil auch der Iran Diplomaten ausgewiesen hat. Ich glaube, so dramatisch wie 1979 ist die Situation bei weitem nicht. Wir befinden uns ja nicht in einem revolutionären Zustand. Es ist tatsächlich eine sehr ernstzunehmende Situation. Aber ich glaube, dass wir, nach wie vor, die Situation der Diplomaten im Blick haben müssen. Trotzdem: Hier geht es natürlich um ein viel größeres politisches Szenario, was sich gerade vollzieht. Der Iran versucht Katz und Maus zu spielen und vielleicht auch durch diese Aktion abzulenken, von Syrien abzulenken, von dem Nuklearprogramm, denn diese Diskussion steht ja eigentlich im Zentrum.



domradio.de: Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omnid Nouripour, hatte, bevor Sanktionen auch von deutscher Seite in Kraft getreten sind, zu Bedenken gegeben, dass diese kontraproduktiv seien. Jetzt spitzt sich die Lage zu. Meinen Sie, ihr Kollege hat Recht gehabt, mit seiner Einschätzung?

Mißfelder: Das halte ich für eine Fehleinschätzung. Wir haben eine Situation, wo die Sanktionen bisher nicht gegriffen haben, weil sie zu weich waren. Sanktionen können immer von Dritten, die sich nicht in dieser Koalition befinden, unterlaufen werden. Und das ist doch das Problem: Die Sanktionen sind relativ zahnlos gewesen. Und dann haben die Briten - richtigerweise aus meiner Sicht - gesagt, wir müssen härtere Sanktionen ergreifen und auch den Finanzsektor treffen. Ich glaube, das ist auch der richtige Weg. Der Iran versucht uns seit Jahren an der Nase herumzuführen und einfach nur Zeit zu gewinnen, um an der nuklearen Aufrüstung zu arbeiten und das dürfen wir einfach nicht zulassen.



domradio.de: Heute treffen sich die EU-Außenminister, um über die Lage im Iran zu beraten. Würden Sie sich für weitere Sanktionen aussprechen?

Mißfelder: Ich bin entschieden dafür, dass wir weitere Sanktionen ergreifen. Die so genannten "trippling sanctions", Sanktionen, die dazu führen, dass weitere Sektoren der Wirtschaft hart getroffen werden. Zum Beispiel die Öl- und Gasindustrie. Auch der Finanzsektor ist ein Sektor, den man im Blick behalten muss. Und ich muss eins feststellen, leider: Es gibt zwar gemäßigte Kräfte im Iran. Aber die Idee, nukleare Aufrüstung zu betreiben, die ist nicht nur Gegenstand von Ahmadinedschads verrückten Gedanken, sondern es ist tatsächlich so, dass dies eine sehr breite Mehrheit im Land findet und auch sogar Oppositionspolitiker dafür sind. Und vor dem Hintergrund sage ich ganz klar: Es besteht schon eine Gesamthaftung für den Iran selbst.



domradio.de: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass die Iraner die Situation selbst klären, indem der Umsturz, sozusagen von innen, also ähnlich der Umstürze der arabischen Revolution, passiert?

Mißfelder: Es gibt Streitpunkte im Iran selbst, zwischen gemäßigten Vertretern, gegenüber Ahmadinedschad, der auch im Iran als Scharfmacher gilt. Ich habe aber den Hinweis: "Gemäßigt" heißt nicht, dass man dann auch religiös gemäßigter ist, sondern es kann sogar sein, dass man dann fundamentalistischere Kräfte an die Macht bekommt. Also: Gut ist das alles nichts. Das Problem ist nur, dass auch von einigen Oppositionspolitikern für eine nukleare Aufrüstung des Irans und aggressivst auch gegen Israel demonstriert worden ist. Also, vor dem Hintergrund warne ich davor, dass man hofft, durch einen Umsturz könnte man automatisch Erleichterung erfahren. Grundsätzlich ist es aber so, die Gefahr, die von Ahmadinedschad und seinen Leuten ausgeht, ist natürlich extrem.



Das Interview führte Christian Schlegel