EU-Kommission will weiter Stammzellforschung fördern

Entgegen der Forderung der Kirche

Anders als von den Bischöfen gefordert, wird es kein Ende der EU-Förderung von Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen geben. Die EU-Kommission wolle die gleichen Regeln anwenden, die derzeit gelten.

Bischof Gebhard Fürst (KNA)
Bischof Gebhard Fürst / ( KNA )

Die EU-Kommission will zwischen 2014 und 2020 rund 80 Milliarden Euro in die Forschungsförderung investieren. Diese Summe schlug die zuständige EU-Kommissarin Maire Geoghegan-Quinn für das "Horizont 2020" genannte Programm am Mittwoch in Brüssel vor. Das wären mehr als 25 Milliarden Euro mehr, als die EU zwischen 2007 und 2013 für die Forschungsförderung ausgibt.



Ethische Überprüfung der Projekte

Bei der umstrittenen Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen will die EU-Kommission die gleichen Regeln anwenden, die derzeit gelten, wie Geoghegan-Quinn erklärte. Das bedeute, dass in einem EU-Staat Projekte gefördert werden könnten, die dort nach nationalem Recht unzulässig wären. Zudem müssten die Projekte sich einer ethischen Überprüfung unterziehen. Schließlich werde auch keine Forschung gefördert, bei der Embryonen zerstört würden, etwa zur Schaffung neuer Stammzelllinien.



Europaabgeordnete und EU-Staaten hatten sich 2006 nach langem Streit auf diesen Kompromiss zur Förderung der Embryonenforschung geeinigt. Er bedeutet, dass mit deutschen EU-Beiträgen in anderen Staaten auch Projekte gefördert werden, die in Deutschland wegen der strengeren Regeln verboten wären.



Bischöfe Fürst: Nicht nach dem kleinsten Nenner suchen

Es müssten viel strengere Maßstäbe bei der Förderung angelegt werden, hatte zuvor Bischof Fürst, der Vorsitzender der Unterkommission Bioethik der Deutschen Bischofskonferenz angemahnt. Biomedizinische Forschung sei stets der Prüfung zu unterziehen, ob sie dem Leben und dem Menschen diene. Bisherige Versprechen von Wissenschaftlern, embryonale Stammzellforschung berge große Heilungschancen, hätten sich als grundlos erwiesen. Die EU dürfe bei der Einigung auf für alle verbindliche ethische Grundregeln nicht nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner suchen. "Es genügt nicht, darauf zu verweisen, dass einzelne Länder ihre strengeren Regeln beibehalten können", so Fürst am Dienstagabend.



Der Bischof plädierte dafür, bei der Frage nach der Zulässigkeit biomedizinischer Forschung grundsätzlich zu prüfen, ob diese Studien "menschen- und lebensdienlich" seien. Der Mensch dürfe niemals selbst Mittel zum Zweck werden. Während mit Stammzellen von Erwachsenen inzwischen erfolgreich therapiert werde, gebe es in der Forschung mit embryonalen Stammzellen weiterhin nur unerfüllte Heilungsversprechen, sagte Fürst. Diese "Geschichte des Scheiterns" werde der Öffentlichkeit verschwiegen.



Bedeutung des EuGH-Urteils "noch nicht überschaubar"

Die EU-Forschungskommissarin erklärte, das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Verbot der Patentierbarkeit embryonaler Stammzellen bedeute nicht, dass die Finanzierung der Stammzellforschung verboten werden müsse. Welche genauen Implikationen das Urteil haben werde, sei derzeit aber "noch nicht überschaubar". Der EuGH hatte Mitte Oktober Patente auf Erfindungen verboten, bei denen menschliche Embryonen zerstört werden. Jede befruchtete menschliche Eizelle müsse gemäß EU-Recht als menschlicher Embryo angesehen werden, so die Luxemburger Richter. Bei dem Streit ging es um ein Patent des deutschen Stammzellforschers Oliver Brüstle.



Europaabgeordnete mehrere Fraktionen hatten zuletzt unter Berufung auf das Urteil verlangt, die EU-Kommission solle deswegen künftig auf die Finanzierung der Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen komplett verzichten. Neben ethischen und juristischen Argumenten führten sie dabei an, dass es auch wirtschaftlich keinen Sinn habe, Projekte zu fördern, deren Ergebnisse dann in der EU nicht patentiert werden könnten.



Es wird damit gerechnet, dass die EU-Staaten im Ministerrat bei der Diskussion des Vorschlags erhebliche Abstriche am finanziellen Umfang des Programms machen werden. Für das 7. Forschungsrahmenprogramm von 2007 bis 2013 hatte die EU-Kommission mehr als 72 Milliarden Euro gefordert. EU-Staaten, Europaparlament und EU-Kommission einigten sich schließlich auf rund 54 Milliarden Euro. Auch über die Frage der Förderung der Stammzellforschung werden heftige Debatten sowohl unter den EU-Staaten als auch im Europaparlament erwartet.