Berliner Schüler scheitert im Rechtsstreit um muslimische Gebete an seiner Schule

Richter sehen Schulfrieden gefährdet

Der muslimische Schüler Yunus M. darf sein rituelles Mittagsgebet nicht auf dem Schulgelände abhalten. Das Bundesverwaltungsgericht wies dessen Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zurück, das im vergangenen Jahr ebenso entschieden hatte.

 (DR)

Der 18-jährige Berliner Gymnasiast scheiterte am Mittwoch mit seiner Revision vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht. Der Schüler des Diesterweg-Gymnasiums im Stadtteil Wedding hatte in dem bundesweit beachteten Rechtsstreit erreichen wollen, einmal am Tag außerhalb der Unterrichtszeiten an seiner Schule beten zu dürfen. (AZ: BVerwG 6 C 20.10)



Kein generelles Verbot von rituellen Gebeten

Ein rituelles Gebet in der Schule sei zwar unter Hinweis auf die Religionsfreiheit nicht generell verboten, erklärte der Vorsitzende Richter Werner Neumann. Jedoch müsse es in den Fällen untersagt werden, in denen es den Alltag in der Schule empfindlich störe. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg war es an dem Gymnasium, an dem in der Schülerschaft alle fünf Weltreligionen vertreten sind, zu Streitigkeiten gekommen.



Diese Konflikte würden sich verschärfen, wenn rituelle Praktiken erlaubt und deutlich an Präsenz gewinnen würden sagte der Richter. Ein eigener Raum würde die organisatorischen Mittel der Schule sprengen.



2007: Gemeinschaftsgebet im Schulflur

Zusammen mit anderen Schülern hatte sich der nunmehr 18-Jährige erstmals 2007 in einem Flur der Schule zum Gebet niedergelassen. Die Schulleiterin untersagte dies. Der Jugendliche klagte und bekam 2009 vom Verwaltungsgericht das Recht auf Gebete im Schulgelände zugesprochen. Zur Begründung verwiesen die Richter auf das Verfassungsrecht der ungestörten Religionsausübung. Das Gymnasium teilte Yunus M. daraufhin einen gesonderten Raum für seine Mittagsgebete zu.



Das Land Berlin ging jedoch in Berufung. Die Schulverwaltung fürchtete um die weltanschauliche Neutralität und den ungestörten Tagesablauf in dem Gymnasium. In zweiter Instanz gab das Oberverwaltungsgericht dem Land recht. Es wies den Anspruch auf regelmäßige Gebete auf dem Schulgelände zurück. Das Grundrecht auf Religionsausübung sei eingeschränkt, da an dem Gymnasium eine Vielzahl von Religionen vertreten und der Schulfrieden gefährdet sei, hieß es.



Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde seinerzeit die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Der Schüler hat wegen der Berührung von Grundrechten nunmehr noch die Möglichkeit, Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einzulegen. Der Anwalt des Jungen, Bülent Yasar, rechnet sich dafür allerdings keine großen Chancen aus. Zugleich ließ er es offen, ob Yunus M. diesen Weg gehen werde. "Es ist gut möglich, dass die Schule trotz des Urteils Yunus einen Raum zum Beten zur Verfügung stellen wird."



Kirche begrüßt Betonung der Religionsfreiheit

Die Berliner Kirchen begrüßten, dass in der Urteilsbegründung die Religionsfreiheit grundsätzlich betont wurde. Die Richter hätten trotz des für den Schüler negativen Urteils deutlich gemacht, "dass die Schule keine religionsfreie Zone ist", sagte eine Sprecherin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz auf Anfrage. Der Sprecher des katholischen Erzbistums sagte, dass eine "Verbannung des Religiösen aus dem öffentlichen und auch schulischen Bereich" mit diesem Urteil jedenfalls nicht zu begründen sei.



Auch der Staatsrechtler Hans Michael Heinig begrüßte das Urteil. Zugleich verwies er jedoch darauf, dass religiöse Konflikte vorrangig pädagogisch zu lösen seien und nicht mit Verboten und der Verdrängung der Religion aus dem öffentlichen Raum. "Die öffentliche Schule ist kein "religionsfreier" Raum, sondern offen für die Religionen ihrer Schüler", sagte der Jurist, der das Kirchenrechtliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland leitet. Das Bundesverwaltungsgericht habe zutreffend hervorgehoben, dass ein Verbot religiöser Handlungen von Schülern nur bei einer Gefährdung des Schulfriedens in Betracht komme.