Die Regierung will die im Grundsatz umstrittene künstliche Befruchtung fördern

Jenseits der Kostenfrage

Sie hatte es bereits angekündigt, nun will Kristina Schröder Taten folgen lassen: Ungewollt kinderlose Paare sollen künftig staatliche Zuschüsse für die künstliche Befruchtung erhalten. Doch der Plan der Familienministerin ist umstritten. So lehnt die katholische Kirche die In-Vitro-Fertilisation ab.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

Als 2010 der Forscher Robert Edwards, einer der "Erfinder" der künstlichen Befruchtung, mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde, sagte der Augsburger Weihbischof Anton Losinger im Interview mit domradio.de: "Natürlich sagt das menschliche Gefühl: Es ist schön, wenn kinderlosen Paaren geholfen werden kann, und das auch in dieser großen Zahl. Aber, so wie das auf jedem Beipackzettel eines Medikaments steht, müssen die Risiken und die Folgewirkungen dieses Tuns bedacht werden."



Es gehe um nicht mehr und nicht weniger als um das Lebensrecht von Embryonen, "von menschlichem Leben", erklärte damals das Ethikrat-Mitglied: "Überall, wo In-Vitro-Fertilisation, also Befruchtung im Reagenzglas, erfolgt, da ist PID, als Prämimplantationsdiagnostik, eine logische Folge." Zum einen stürben bei diesem Verfahren bereits Embryonen im technischen Verfahren ab, zum anderen werde Selektion vorgenommen.



Losinger weiter: "Haben Menschen das Recht, Embryonen auszuwählen, die einen zu nehmen und die anderen schlichtweg dem Tod anheim zu geben? Nach welchen Kriterien sollen Menschen das dürfen? Und wenn wir zum Beispiel in einem solchen PID-Verfahren etwa gendefekte Embryonen nicht zum Leben kommen lassen wollen, dann stellt sich ja die logische Frage, welches Menschenbild von Behinderten generieren wir, wenn wir behinderte Embryonen etwa auf Grund eines festgestellten Gendefekts aussortieren?"



Schröders Pläne starten 2012

Im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), Bund und Länder sollten künftig die Hälfte der Kosten übernehmen, die bisher die Paare selbst tragen. Das Programm solle im April 2012 beginnen. Im Haushalt des Ministeriums seien dafür zehn Millionen Euro eingestellt. Insgesamt rechne sie mit Kosten von bis zu 40 Millionen Euro, was "wenig" sei.



Seit 2004 werden die Kosten für eine künstliche Befruchtung nicht mehr vollständig von den Kassen übernommen, sondern nur noch zur Hälfte und für die ersten drei Versuche. Die andere Hälfte und die Kosten für einen vierten, in aller Regel letzten Versuch, müssen die Paare selbst zahlen. Ihr Eigenanteil bei drei Behandlungen liege damit bei bis zu 6.000 Euro, bei vier Versuchen betrage er bis zu 10.000 Euro, sagte Schröder.



Das weltweit erste Retortenbaby war Louise Brown, die am 25. Juli 1978 in Großbritannien zur Welt kam. Weltweit wird die Zahl der Retortenkinder mittlerweile auf mehr als 3,5 Millionen geschätzt. In Deutschland sind nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 1,4 und 2 Millionen Paare ungewollt kinderlos. Acht von zehn Frauen bleiben auch nach einer Behandlung kinderlos.



"Donum Vitae" stellt 1987 Grundsätzliches dar

Die katholische Kirche lehnt künstliche Befruchtung als Weg der menschlichen Fortpflanzung ab. Im Dokument "Donum Vitae" der vatikanischen Glaubenskongregation unter dem Vorsitz des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger und heutigen Papst Benedikt XVI. von 1987 wird die Würde der Person und ihre integrale Berufung hervorgehoben: Wissenschaft und Technologie sind demnach nicht moralisch neutral, sondern müssen die moralischen Gesetze beachten. Eingriffe in den menschlichen Körper seien Angriffe auf die menschliche Person, besonders im Bereich der Sexualität und Fortpflanzung.



Das wichtigste Argument ist der Schutz des unschuldigen menschlichen Lebens "von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod" und der besondere Charakter der Weitergabe des menschlichen Lebens, die dem persönlichen Akt von Mann und Frau anvertraut wurde. "Sind wir dafür, dass eine komplette Entkoppelung etwa von Liebe und Zeugung eines Menschen stattfindet?", fragte Weihbischof Anton Losinger in dem Gespräch mit domradio.de vor einem Jahr auch deshalb.



Fortpflanzung ist laut katholischer Lehre die Mitwirkung an der Schöpfung Gottes und benötigt die verantwortliche Mitarbeit der Ehepaare an Gottes fruchtbarer Liebe. Die In-Vitro-Fertilisation widerspricht der menschlichen Würde und ist somit moralisch nicht erlaubt. Der Embryo muss als Person geachtet und respektiert werden, eine Person kann niemals als Instrument missbraucht werden, oder als "Produkt" angesehen werden.