Muslime nach rechter Mordserie besorgt und beunruhigt

"Es wurde zu lange weggeschaut"

Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) hat angesichts der Verbrechen der Zwickauer Terrorzelle von Politik und Behörden mehr Einsatz gegen Rechtsextremismus gefordert. "Wir als Muslime und Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen sehen einen akuten Handlungsbedarf", zitierte KRM-Sprecher Bekir Alboga am Mittwoch in Köln aus einem offenen Brief islamischer Organisationen.

 (DR)

Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, sagte: "Es zeigt sich, dass wir allen Grund haben, beunruhigt zu sein." Die unklare Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes gegenüber der Zwickauer Terrorzelle sei bedrückend. Die Politik müsse dafür sorgen, dass sich alle Bürger wieder sicher fühlen könnten. Dazu müsse ein Untersuchungsausschuss die Taten und Hintergründe aufklären.



Die Mordserie der Terrorzelle habe das Vertrauen der Muslime und Migranten in die Sicherheitsbehörden erschüttert, sagte Alboga. "Als Muslime in Deutschland sind wir äußert besorgt." Vor allem die Existenz einer Art Todesliste mit den Namen vieler Muslime habe die islamische Gemeinschaft verunsichert.



Die Wunden durch die Brandschläge der 1990er Jahre auf türkische Familien in Mölln und Solingen seien erneut aufgerissen worden, beklagte Alboga. Er berichtete außerdem von Hass-E-Mails und Drohungen an Muslime, die in den vergangenen Jahren zugenommen hätten.



"Im Schatten einer imaginären Islamismusgefahr"

Die islamischen Verbände warfen den Sicherheitsbehörden vor, den Rechtsextremismus nicht ernst genug genommen zu haben. "Es wurde zu lange weggeschaut", erklärte Alboga, der auch Dialogbeauftragter der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) ist. "Im Schatten einer imaginären Islamismusgefahr konnte sich der Rechtsextremismus ungehindert entfalten", sagte er.



Auch Kizilkaya, kritisierte, dass die Sicherheitsbehörden zu sehr auf den Islamismus geschaut hätten. "Man hat leider bis heute den Blick in die falsche Richtung gerichtet", sagte der Islamrats-Vorsitzende.



Alboga forderte erneut, Islamfeindlichkeit und Rechtsextremismus auch auf die Agenda der Deutschen Islamkonferenz zu setzen. Auch nach Einschätzung der Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Nurhan Soykan, ist die Hemmschwelle für islamfeindliche Äußerungen immer mehr gesunken. "Mir nützt es nichts, wenn die NPD verboten wird, wenn das Gedankengut immer noch in der Bevölkerung verbreitet ist", sagte Soykan.



In dem offenen Brief fordern die Verbände unter anderem, mehr über rechtsextremes Gedankengut aufzuklären und die Verantwortlichen und Unterstützer der Morde zu verfolgen. Außerdem müsse mehr für die gesellschaftliche Vielfalt in Deutschland geworben und eine Atmosphäre der Anerkennungskultur geschaffen werden.



Im Koordinationsrat sind die DITIB, der Islamrat, der Zentralrat der Muslime und der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) zusammengeschlossen. Auch andere türkische und muslimische Organisationen, darunter Sport- und Akademikervereine, unterzeichneten in Köln den offenen Brief als Appell an Staat und Öffentlichkeit. Weitere Organisationen können sich in den kommenden Tagen noch anschließen.