Merkel und 50 CDU-Politiker schreiben über das "C"

"Christentum ist keine intellektuelle Angelegenheit"

Die Hausaufgabe der Parteivorsitzenden für ihre Vorstandsmitglieder war keine einfache. Bekenntnisse zum hohen "C" im Parteinamen mussten die gut 50 Mitglieder im höchsten Parteigremium abliefern. Persönliche Aufsätze wollte Angela Merkel sehen. Nun liegt das Ergebnis vor.

Autor/in:
Volker Resing
 (DR)

Die Profildebatte, die in den zurückliegenden Monaten mal wieder in der Öffentlichkeit tobte, sollten die CDU-Spitzen nicht den Altvorderen wie den ehemaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel und Bernhard Vogel überlassen. Deswegen war nun Kreativität gefragt - und etwas politische Lyrik.



Zum CDU-Parteitag kommende Woche in Leipzig liegt nun ein buntes christliches Lesebuch vor. Merkel geht mit gutem Beispiel voran, aber auch Bundestagspräsident Norbert Lammert und die CDU-Ministerpräsidenten haben die gewünschten Besinnungstexte verfasst. Alle ihre CDU-Minister hat die Kanzlerin zum Texten verpflichtet. Manch einem fällt es schwer, das "C" ganz persönlich zu begründen. Das ist auch nicht die Stärke der Kanzlerin. Immerhin schreibt sie: "Ich kann und mag meine politische Tätigkeit nicht von meiner christlichen Grundhaltung trennen."



Einer der ungewöhnlichen Beiträge stammt von Bildungsministerin Annette Schavan. Die Theologin und Vize-Vorsitzende wagt eine Bibelexegese - fernab des üblichen politischen Diskurses. Eine Geschichte aus dem Markus-Evangelium sei prägend für ihre ganze öffentliche Arbeit, so Schavan. Es ist die Geschichte des reichen Mannes, der von Jesus erfahre, dass der Reichtum ihn hindere, ins Himmelreich zu kommen. Eine Provokation, so Schavan.



Reichtum sei dabei für sie nicht nur materieller Besitz, sondern gemeint seien auch "liebgewonnene Traditionen", "Besitztümer" und bestimmte Ordnungen, von denen sich der Mensch immer wieder auch lösen müsse, um frei zu werden. Schavan nennt es die "neue Lebensmöglichkeit", eine Art Schavan"sche Deutung der Entweltlichung. Eine politische Botschaft liest sie in dem Freiheits-Ruf Jesu. "Es ist eine Geschichte für Politiker, die sich dem "C" verpflichtet fühlen und immer wieder neu lernen, sich von den Bindungen an vordergründige Erfolge zu lösen".



Unverzichtbare Quelle von Werten

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe überschreibt seinen Text mit dem Slogan "Bibelvers und iPad". Morgens gehe sein erster Griff nicht zum neuen Computer-Tablett, sondern zu den Losungen der Herrnhuter Brüdergemeine. Uralte Texte und neue Kommunikationsmittel - diese Spannung drücke für ihn das aus, was Christdemokraten beherzigen müssten. "Gottes gute Gebote und seine Menschenliebe gehören für Christen untrennbar zusammen", schreibt der engagierte evangelische Christ. Skeptisch sei er gegenüber "allzu großer Selbstgewissheit". Politik müsse auch die Unmöglichkeit von einigen Debatten erkennen. "Wer diese Grenzen akzeptiert, kann auch die Suche nach "befriedenden" Kompromissen würdigen." Dies gelte für ihn auch etwa beim Lebensschutz.



Noch grundsätzlicher und staatstragender hat Lammert die Merkel"sche Hausaufgabe gelöst. "Religion ist nicht die einzige, aber wohl eine unverzichtbare Quelle von Werten in einer Gesellschaft", schreibt der promovierte Sozialwissenschaftler. Er plädiert für eine enge Beziehung der C-Partei zu den Kirchen, in der es aber auch "knirschen" müsse. Denn die Glaubensdogmatik der Kirchen könne eine Partei eben nicht in Politik übersetzen. "Die Wahrung des je Besonderen und die Wahrnehmung des Gemeinsamen ist daher der angemessene Weg zu einem aufgeklärten Verhältnis von Politik und Glaube", schreibt Lammert.



Nach den vielen klugen Gedanken bleibt am Schluss noch die Mahnung von Schavan: "Das Christentum ist keine intellektuelle Angelegenheit", schreibt sie. An der Übersetzung des "C" also ins Lebenspraktische lässt sich immer noch arbeiten. Dabei hilft dann der Partei womöglich die Überzeugung von Merkel, die besagt, dass der Glaube vieles leichter mache, vor allem, dass man "gegenüber Fehlern - denen der Mitmenschen und den eigenen - toleranter" werde. Wer von den Politikern allerdings seine Beiträge wirklich selber verfasst hat und wer sie sich hat schreiben lassen - das wird man wohl nie erfahren.