Beim CDU-Parteitag kann es zu einem Richtungsstreit kommen

Es knirscht im Gebälk

Der künftige Europa-Kurs der CDU, das Thema Mindestlöhne und neue Wege in der Bildungspolitik stehen im Mittelpunkt des 24. Bundesparteitags der Christdemokraten. Zur Einführung flächendeckender Lohnuntergrenzen wird dabei eine knappe Abstimmung erwartet. Am Sonntag tagen die Spitzengremien der CDU, der eigentliche Parteitag findet am Montag und Dienstag statt.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Ausgerechnet Leipzig. Für die Sozialpolitiker in der CDU wird es ein zusätzlicher Anreiz sein, ihre Forderung nach einer Lohnuntergrenze gerade auf dem Parteitag in die sächsische Metropole durchzusetzen. Seit dem Parteitag 2003 steht Leipzig für einen neoliberalen Schwenk und die - nach eigenen Angaben - größte Niederlage des Arbeitnehmerflügels.



Angesichts von Milliarden-Stützen für Banken und Rettungsfonds soll nun wieder stärker das soziale Gewissen schlagen, so will es auch die Parteiführung - gegen Vorbehalte des Unternehmerflügels. Doch dürfte dies nicht der einzige Streitpunkt bei dem am Sonntag beginnenden zweitägigen Treffen der 1.001 CDU-Delegierten aus Bund und Ländern sein. Beim Leitantrag zur Bildung könnte es ebenfalls grundsätzlich werden. Zumindest der Europa-Antrag scheint unstrittig.



Jahr der Zumutungen

2011 war für viele traditionelle Parteimitglieder ein Jahr der Zumutungen. Nach der Neuausrichtung in der Familienpolitik während der Großen Koalition folgten in den vergangenen elf Monaten die Abschaffung der Wehrpflicht, der Atomausstieg und - vermeintlich - das Ende der Hauptschule. Der Unmut in der Partei brach sich schließlich im Sommer in einer eher diffusen Debatte über das konservative Parteiprofil Bahn. Merkel wird darum bemüht sein, Ruhe in die Partei zu bringen. Einer innerparteilichen Befriedung der Konservativen sollte wohl auch die Koalitionsvereinbarung zum Betreuungsgeld dienen. Allerdings sorgte es jetzt bei den Frauen- und Familienpolitikerinnen für Ärger.



Als einendes Band und Alleinstellungsmerkmal wird nun offenbar das "C" wieder stark gemacht. Rund 50 prominente Parteimitglieder haben sich in einer Broschüre zum Parteitag Gedanken über die Bedeutung des Christentums für Partei und Politik gemacht. "Es ist die Idee des Ausgleichs, die die Grundfesten des christdemokratischen Leitbilds markieren", heißt es im Beitrag der CDU-Vorsitzenden in der Broschüre. Die Partei orientiere sich dabei am "möglichst breiten Konsens", an einer "Politik der Mitte".



Dass eine solche Vermittlung zwischen Tradition, deutlichem Profil, breiter Aufstellung als Volkspartei und Modernisierung zur Zerreißprobe werden kann, zeigte sich nicht zuletzt am Bildungspapier. Die Autorin, CDU-Vize und Bundesbildungsministerin Annette Schavan, musste gleich mehrere Regionaltreffen einberufen, um die Gemüter zu beruhigen. Noch nie gab es so viele Eingaben zu einem Leitantrag: Knapp 1.700 Anträge und Anregungen umfasst die telefonbuchdicke Antragssammlung.



Die Programmkommission hat den Leitantrag aber entschärft. Das dreigliedrige Schulsystem gehörte zum ideologischen Markenkern der CDU. Sein Ende soll nun nicht gleich eingeläutet werden. Dennoch ist die Richtung klar: Die künftige CDU-Bildungspolitik setzt auf zwei Säulen: das Gymnasium und die Oberschule - in der Real- und Hautschule aufgehen. Auf ihnen bauen die Hochschulbildung und die duale Berufsausbildung auf. Ein Schlagabtausch ist nach den teilweise heftigen Aussprachen nicht mehr zu erwarten. Dafür sorgt schon die Regie: Das Thema "Bildungsrepublik Deutschland" wird am Ende des Treffens verhandelt.



Kampfabstimmung zum Mindestlohn?

Zu einer Kampfabstimmung könnte es aber bei der Einführung eines Mindestlohns kommen. Die CDA verlangt eine allgemeine Lohnuntergrenze, "die sich am von den Tarifpartnern festgelegten Mindestlohn in der Zeitarbeit orientiert". Auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) favorisiert einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn. Merkel will hingegen Untergrenzen nur nach Regionen und Branchen und lehnt die Anbindung an die Zeitarbeit ab.



Schließlich ist nicht ausgeschlossen, dass auch der Richtungsstreit wieder aufbricht. Dies könnte etwa nach dem Bericht der CDU-Vorsitzenden oder des Generalsekretärs Hermann Gröhe schon am Montag geschehen. Bundestagspräsident Norbert Lammert spricht in seinem Beitrag zur Bedeutung des "C" von einem berechtigten "Knirschen" in der Beziehung zwischen Christdemokraten und Kirchen. Vernehmlicher knirscht es derzeit allerdings in der Partei selbst.