15,6 Prozent der deutschen Bevölkerung von Armut bedroht

Vom Aufschwung nicht profitiert

Passend zur aktuellen Debatte um flächendeckende Mindestlöhne hat das Statistische Bundesamt neue Zahlen zur Armut veröffentlicht. Demnach waren 2009 durchschnittlich 15,6 Prozent der Bevölkerung Deutschlands von Armut bedroht. Damit blieb das Armutsrisiko nahezu konstant. Der Paritätische Wohlfahrtsverband wirft der Bundesregierung armutspolitisches Versagen vor:

 (DR)

Die Angaben beruhen auf Ergebnissen der EU-weiten Erhebung "Leben in Europa". Armutsgefährdet war nach der Definition für die Untersuchung, wer im Jahr 2009 nach Einbeziehung staatlicher Transferleistungen ein Einkommen von weniger als 11.278 Euro im Jahr beziehungsweise 940 Euro monatlich zur Verfügung hatte. Arbeitslose Menschen sind laut Bundesamt nach wie vor am stärksten armutsgefährdet. Im Jahr 2009 seien mehr als sieben von zehn Arbeitslosen (70,3 Prozent) betroffen gewesen, unter den Erwerbstätigen sei es dagegen nur etwa jeder Vierzehnte (7,2 Prozent) gewesen.



Neben Arbeitslosen seien Personen in Haushalten von Alleinerziehenden die am stärksten armutsgefährdete Gruppe in Deutschland. Bei 43 Prozent dieser Personen habe 2009 eine Armutsgefährdung vorgelegen. In allen Haushalten mit Kindern habe die Armutsgefährdungsquote nur 14,6 Prozent betragen.



Das Bundesamt hat auf Grundlage einer anderen Datenbasis bereits für das Jahr 2010 eine Armutsgefährdungsquote für Deutschland berechnet. Sie liegt nach Angaben vom September 2011 bei 14,5 Prozent. Gemäß der Definition der Europäischen Union gelten Menschen als armutsgefährdet, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Median) der Gesamtbevölkerung auskommen müssen.



Armutspolitisches Versagen

Der Paritätische Wohlfahrtsverband wirft der Bundesregierung armutspolitisches Versagen vor. Die schwarz-gelbe Koalition habe die Kluft zwischen Arm und Reich in den vergangenen zwei Jahren noch verschärft, beklagt der Verband und fordert von der Bundesregierung einen "belastbaren Masterplan zur Armutsbekämpfung".



Der Verband weist darauf hin, dass den über zwölf Millionen armen Menschen in Deutschland ein privates Geldvermögen von rund fünf Billionen Euro gegenüber stehe. "Nicht nur die Armut in Deutschland hat Rekordniveau erreicht, sondern auch der Reichtum hat trotz aller Krisen stetig zugenommen", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.



Die Bundesregierung habe die gesellschaftliche Spaltung beschleunigt. "Maßnahmen wie die Streichung des Elterngeldes für Hartz IV-Bezieher, Kürzungen beim Wohngeld bis hin zur sogenannten Instrumentenreform in der Arbeitsmarktpolitik führen direkt dazu, dass die Armut in Deutschland zunimmt." Der Paritätische fordert die Bundesregierung auf, die Hartz-IV-Regelsätze auf 420 Euro zu erhöhen, das Bildungs- und Teilhabepaket durch eine echte Bildungsoffensive für unterprivilegierte Kinder zu ersetzen und das Rentensystem armutsfest zu machen.