Zehn Jahre Jüdisches Museum in Berlin

Spektakulär außen und innen

Es gehört zu den Besuchermagneten Berlins: Sieben Millionen Menschen haben bislang den Weg in das Jüdische Museum im Stadtteil Kreuzberg gefunden. Ab Montag wird das zehnjährige Bestehen des spektakulären Baus gefeiert. Bei seiner Eröffnung 2001 gab es noch Kritik an dem Konzept, jüdische Geschichte unterhaltsam aufzubereiten. Die ist inzwischen verstummt.

Autor/in:
Markus Geiler
 (DR)

Kürzlich, auf einer Vortragsreise durch Florida fragte Michael W. Blumenthal wieder in die Zuhörerrunde, wer denn bereits was von dem Jüdischen Museum in Berlin gehört habe. Zu seiner Überraschung meldeten sich mehrere Leute, die es bereits besucht hatten. "Über Jahrzehnte haben viele amerikanische Juden gesagt: Nach Deutschland fahre ich nicht!", sagt Museumsdirektor Blumenthal. Ein Großteil dieser Vorurteile sei mittlerweile verschwunden. "Dazu hat auch das Jüdische Museum beigetragen."



Vor zehn Jahren wurde der Zick-Zack-Bau des US-Stararchitekten Daniel Libeskind in Berlin-Kreuzberg eröffnet. Mit einer Festwoche soll das Jubiläum von Montag an gefeiert werden. Auf dem Programm stehen unter anderem ein Symposium, ein Bandwettbewerb und zahlreiche Führungen. Ein Jubiläumsofa lädt täglich zum Zuhören von Lebensgeschichten ein. Den Auftakt bildet ein Konzert der Staatskapelle Berlin mit Daniel Barenboim und die Verleihung des "Preis für Verständigung und Toleranz" an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Zum Abschluss lädt das Museum am 30. Oktober zu einer großen Jubiläumsfeier.



Jeder dritte Besucher ist unter 30 Jahre alt

Vom ersten Tag an entwickelte sich das Haus zu einem Besuchermagneten. Bereits die leeren Räume der spektakulären Architektur zogen Hunderttausende Interessierte an. Seit der Eröffnung des Museums im September 2001 reist der Besucherstrom aus aller Welt nicht ab. Sieben Millionen Gäste wurden bisher gezählt. Damit ist es eines der erfolgreichsten Museen in Deutschland überhaupt und ein junges zudem: etwa jeder dritte Besucher ist unter 30 Jahre alt.



Die Berufung Blumenthals zum Direktor des künftigen Museum 1997 erweist sich als der große Glücksgriff. Der früherer US-Finanzminister und gebürtige Oranienburger, der mit seinen Eltern 1939 vor den Nazis nach Shanghai emigrieren musste, ließ von Anfang an einen amerikanischen Geist in das Haus einziehen, den deutsche Museen so nicht kannten: freundlich, serviceorientiert, unabhängig. Gearbeitet wird miteinander, nicht gegeneinander, die Besucher sind Gäste und werden auch so behandelt. Das Personal ist jung und versteht sich nicht als Aufsichtskraft sondern Hosts (Gastgeber). Es ist aufmerksam und mindestens zweisprachig, wie auch die Ausschilderung in dem Haus. "Hier wird niemand angeschnauzt", sagt Blumenthal.



So spektakulär das Gebäude von außen ist, so spektakulär ist auch ein sein inhaltliches Konzept: Die Dauerausstellung zeigt auf leichte und manchmal geradezu heitere Weise deutsch-jüdische Geschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. "Das, was wir mitteilen, möchten wir da, wo es geht, auf unterhaltsame Weise tun", sagt Programmdirektorin Cilly Kugelmann dazu. Auch ein "Holocaust-Museum" will man in der Kreuzberger Lindenstraße nicht sein. "Man wird den Juden eher gerecht, wenn man ihre Geschichte nicht als Opfergeschichte erzählt, sondern als eine Geschichte von großer Kraft und Humor", sagt die Stellvertreterin Blumenthals. Daneben gab es bisher 64 Sonderausstellungen. Das Themenspektrum reichte von "Raub und Restitution" über "Zwangsarbeit", "Essen und Religion", "Die Macht der Zeichen" bis hin zur Jubiläumsausstellung "Heimatkunde", ein Standortsuche von 30 Künstlern, die auf Deutschland blicken.



Inzwischen sind die Kritiker verstummt

Natürlich gab es auch Kritik an dem Konzept, jüdische Geschichte unterhaltsam aufzubereiten. Zum fünfjährige Bestehen beispielsweise warf der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, dem Museum vor, mit seinen Ausstellungen eine Bild des jüdischen Lebens zu zeichnen, das mit der Realität der jüdischen Gemeinschaft nichts zu tun habe.



Inzwischen sind die Kritiker verstummt, und das Haus entwickelt sich immer weiter. So entsteht gegenüber eine Bildungsakademie. Von dort will man sich in die aktuelle Integrationsdebatte einmischen. Wer, wenn nicht die Juden mit ihren jahrhundertelangen Minderheitserfahrungen, seien dazu in der Lage, meint Blumenthal: "Wir wollen jüdische Antworten auf muslimische Fragen geben."