Bodo Ramelow zum Linkenparteitag

"Da ist mir mein Glauben wichtiger"

Heute trifft sich die Linke zu ihrem Bundesparteitag in Erfurt, auf dem ein neues Programm verabschiedet werden soll. Es dürfte auch Anträge mit antireligiöser Bezügen gestellt werden.
Im domradio.de-Interview erläutert der Thüringer Linke-Fraktionschef Bodo Ramelow, wie es seine Partei mit dem Glauben hält.

 (DR)

domradio.de: Trotz der Verständigung bleibt ja die Frage: Wie viel Platz ist denn für Gläubige in der Links-Partei oder anders: Wie stark sehen Sie sich denn anti-religiösen Tendenzen in ihrer Partei ausgesetzt?

Bodo Ramelow: Es gab in den letzten Monaten natürlich im Vorfeld des Parteitags eine ganze Reihe von ziemlich quer laufenden Diskussionen: Da wurden Laizismus, Säkularisierung und Atheismus alles zusammengemischt und durcheinandergerührt, und manches, was mir da begegnet ist, war schon sehr anti-religiös. Man muss ja nicht jeden Menschen gleichmäßig nett finden, aber es gibt offenkundig Leute, die in ihrer Biografie irgendwann mit dem Glauben gebrochen haben und nun meinen, das sehr massiv ausleben zu müssen. Das hat dann auch schon zu persönlichen Friktionen geführt, na klar, aber wir beschließen ein Programm und wir sind keine Glaubensgemeinschaft, sondern eine Partei. Und eine Partei, die eben auch das Erbe und die Verantwortung gegenüber dem Erbe der SED hat, muss sich bekennen, dass in der DDR den Christinnen und Christen viel Unrecht angetan wurde. Und genau das haben wir jetzt in den Leitantrag mit aufgenommen, dass wir uns zu dieser Verantwortung bekennen und das wir noch einmal darauf hinweisen, dass es die Bitte um Entschuldigung gegeben hat und dass das der Ausgangspunkt auch meines Seins in der Partei ist, dass man eben die Christen aus der DDR nicht vergessen darf und was da passiert ist. Und ganz klar für mich: Die Partei Die Linke ist eine weltanschauungsoffene und plurale Partei und da muss auch Platz sein für Juden, für Moslems und für Christen oder für Atheisten oder jeden Menschen, der sagt: Das interessiert mich alles nicht.



domradio.de: Sie werden am Wochenende über das Parteiprogramm diskutieren. Staat und Religion sollten getrennt sein, das ist eine klassische linke Position. Steht die auch wieder zur Disposition?  

Ramelow: Während wir telefonieren ist ja heute der 120. Geburtstag des Erfurter Programms der SPD. Schon vor 120 Jahren ging es um die Staatskirche und 120 Jahre später gibt es immer noch die Diskussion darüber, wie man eine klarere Trennung zwischen Staat und Kirche formuliert. Benedikt hat in seiner Freiburger Rede von der Entweltlichung der Kirche gesprochen. Damit hat er ja wieder einen Impuls gesetzt, auch diese Frage aus kirchlicher Sicht zu betrachten. Und wir werden als Partei eine Standortbestimmung haben, wo eine stärke, klarere Trennung aufgenommen werden wird, allerdings mit dem Bekenntnis, dass die Religion und die Religionsausübung unter einem außerordentlichen Schutz des Staates stehen muss, also niemand darf wegen seiner Religion verfolgt werden und Religion muss ein Teil unseres Lebens sein und auch sein dürfen. Deswegen ist das eine die institutionelle Vermessung und das andere ist der Schutz für jeden Menschen, in seiner Art glücklich werden zu dürfen.



domradio.de: Waren Sie überrascht, dass Papst Benedikt die Kirche bei seinem letzten Besuch in Deutschland aufgefordert hat, auf staatliche Privilegien zu verzichten?

Ramelow: Da ich Benedikts Äußerungen schon seit einigen Jahren sehr aufmerksam verfolge, war ich eigentlich über die Botschaft an sich nicht so überrascht, ich war eher über den Ort und den Zeitpunkt am Schluss seiner Reise überrascht, aber der Kern der Botschaft war mir vertraut und ich glaube, jede Kirche in Deutschland muss darüber nachdenken, weil es einige Dinge gibt, die nicht mehr zeitgemäß sind. Und da wäre es aus kirchlicher Sicht lohnenswert, das Thema anzuschieben. Ich bin evangelischer Christ, meine Synode, die sich gerade in Vorbereitung befindet, plant einen Anti-Streikparagrafen für die Dienste wie Diakonie und Caritas, die also im sozialen Bereich tätig sind und damit im Wettbewerb um staatliche Gelder stehen. Würde die Synode nun beschließen, dass Arbeitrechte für die Beschäftigten nicht mehr so geregelt sind, wie es mittlerweile eine ganze Reihe von Arbeitsgerichten entschieden haben, dann kann ich das so nicht mehr akzeptieren. Ich finde, der Gottesdienst und der Verkündungsbereich, die müssen frei sein gewerkschaftspolitischer Durchdringung, da muss immer die Freiheit der Religionsgemeinschaft bestehen bleiben, aber wenn die Kirchen Unternehmen organisieren und diese Unternehmen dann Leiharbeit praktizieren - was in der evangelischen Familie jetzt leider mehrfach und sehr ungut vorgekommen ist -, dann muss man darüber reden.



domradio.de: Kommen wir noch mal zum Ausgangspunkt unseres Gesprächs zurück: Wenn Sie tatsächlich mit dem Gedanken gespielt haben, die Links-Partei zu verlassen: Wo würden Sie sich als bekennender Protestant dann besser aufgehoben fühlen?

Ramelow: Ehrlich gesagt war diese Äußerung ja nicht die Androhung meines Austritts, sondern ein Hinweis darauf, dass eine Partei plural sein muss und dass ich mir von keiner Partei dieser Welt vorschreiben lasse, was ich glaube oder nicht. Das ist meine Angelegenheit, die ich mit meinem Herrgott alleine ausmache und da lasse ich mir von niemandem irgendetwas befehlen oder diktieren. Das war der Hinweis, es war eher die Freiheit eines Christenmenschen, der hier deutlich gesagt hat: Also, alles lass’ ich mit mir nicht machen! Und einen anderen Ort hätte ich auch nicht gesucht, sondern ich hätte einfach nur einen Ort verlassen. Ich wäre aber nicht an einen anderen Ort gegangen, weil ich in der Linken bin, weil ich politisch überzeugt bin, dass wir heute andere politischen Antworten geben müssen als das, was uns im Alltag gerade begegnet. Es gibt Tausend gute Gründe, warum ich in dieser Partei bin, und es gibt noch 10.000 weitere gute Gründe, warum ich auch um diese Partei kämpfe, auch ringe, aber es mir eben nicht so einfach mache, dass ich sage: Also meine Karriere wäre mir wichtiger. Da muss ich sagen: Da ist mir mein Glauben wichtiger.