Mehr Reaktionen auf das Stammzell-Urteil

"Wichtig für die Werte in Europa"

Die Richter hätten die "Menschenwürde in den Mittelpunkt gestellt", erklärte im domradio.de-Interview der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. Es gehe in dieser Frage nicht um eine Einschränkung der Forschung. domradio.de dokumentiert weitere Reaktionen.

 (DR)

Ziel der Richtlinie der Europa-Parlamentarier sei es gewesen, so der Bioethik-Experte, "dass wir Gentechnik, Forschung und Weiterentwicklung in der Medizin wollen, aber es muss auch ethische Grenzen geben".  Deshalb sei klar in der Richtlinie festgeschrieben worden, "dass die Zerstörung von menschlichen Embryonen nicht patentiert werden darf". Er sei "froh und erleichtert" über den Spruch des Europäischen Gerichtshofs, erklärte Liese weite. Das Urteil sei sehr wichtig "für die Werte in Europa".



Die Forschung werde sich jetzt stärker in Richtung ethisch vertretbarer Alternativen entwickeln. Dazu zählten Zellen aus dem Körper Erwachsener. Liese forderte, bei der EU-Forschungsförderung solche ethisch vertretbaren Alternativen in den Mittelpunkt zu stellen.



Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erkennt in der Grundsatzentscheidung "mehr Klarheit und Rechtssicherheit". Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Ingrid Fischbach (CDU), erklärte, das Urteil werde ein Zeichen für die Wissenschaft sein, bei kommenden Forschungsvorhaben den Schutz menschlichen Lebens stärker zu beachten.



Bischofskonferenz begrüßt Urteil

Das Nein der Richter zur Patentierbarkeit von embryonaler Stammzellforschung sei "ein Erfolg für die Menschenwürde und ein deutliches Signal gegen den Machbarkeitswahn des Menschen", erklärte für die Deutsche Bischofskonferenz der Augsburger Weihbischof Anton Losinger. Er ist Mitglied der Unterkommission "Bioethik" der Bischofskonferenz sowie Mitglied im Deutschen Ethikrat.



Das Urteil stärke die Auffassung der Kirche, dass dem Embryo vom Zeitpunkt der Befruchtung an die volle Menschenwürde zukomme, fügte Losinger hinzu. Gleichzeitig sei durch das Urteil "der Frage nach der Klonierung eines Menschen zunächst ein weiterer Riegel vorgeschoben".



Die Bischofskonferenz begrüßte auch, dass das Urteil eine "deutliche Absage an jede Form der Kommerzialisierung des Menschen" bedeute. Der EuGH mache außerdem deutlich, "dass der umfassende Schutz der Menschenwürde nicht durch die Art der Formulierung von Patentanträgen unterlaufen werden darf, indem die Beschreibung keinen Hinweis auf die erforderliche vorausgehende Zerstörung menschlicher Embryonen enthält". Die Tatsache, dass Embryonen für die im Patentantrag enthaltenen Schritte zerstört werden müssten, reiche aus, um die Patentierbarkeit abzulehnen.



Bischof Fürst: Eindeutiges Bekenntnis zur Unantastbarkeit menschlichen Lebens

Als ein eindeutiges Bekenntnis zur Würde und Unantastbarkeit menschlichen Lebens von Anfang an hat Bischof Gebhard Fürst das Grundsatzurteil. Begrüßenswert sei es auch, dass dieses Urteil Auswirkungen nicht nur in Deutschland, sondern auf europäischer Ebene habe, betonte Bischof Fürst, der Vorsitzender der Unterkommission Bioethik der Deutschen Bischofskonferenz ist und von 2001 bis 2005 dem Nationalen Ethikrat angehört hat. Er verkenne nicht die Intention der Forscher, im Kampf gegen schwere Erkrankungen Fortschritte zu erzielen. Doch hätten auch legitimes wissenschaftliches Interesse und Freiheit der Forschung dort ihre Grenze, wo menschliches Leben dafür zur Disposition gestellt und Ergebnisse dieser Forschung kommerzialisiert würden. Auf diesen umfassenden Schutz hätten embryonale Menschen von allem Anfang einen im Grundgesetz verankerten Schutz. Aus christlicher Sicht sei menschliches Leben heilig und keinem anderen Gut unterzuordnen.



Er hoffe sehr, so der Bischof, dass die wissenschaftlichen Anstrengungen jetzt verstärkt auf die Forschung mit so genannten adulten Stammzellen gerichtet würden, wo es bereits jetzt viel größere Erfolge gebe, als es in der öffentlichen Diskussion scheine.



"Menschliches Leben ist nicht patentierbar"

Ähnlich äußerte sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider. Menschliches Leben sei nicht patentierbar. "Darauf hat nach unserem Glauben nur einer ein Patent, und das ist Gott, der Schöpfer." Menschliches Leben dürfe nicht ökonomisiert werden. Es dürfe nicht sein, "dass Menschen anderes menschliches Leben verzwecken und zu Geld machen".



Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßte das Urteil. Der EuGH habe klar bestätigt, dass der Mensch in allen Phasen seiner Entwicklung vor kommerzieller Verwertung geschützt werden müsse, so Greenpeace-Berater Then. Damit habe der Gerichtshof den Schutz menschlichen Lebens gegenüber wirtschaftlichen Interessen deutlich gestärkt. Für die Wissenschaft werde das Urteil nur begrenzten Einfluss haben, weil inzwischen Möglichkeiten existierten, Stammzellen herzustellen, ohne menschliche Embryonen zu zerstören.



Widerspruch in der Wissenschaft

In der Welt der Wissenschaft dürfte das Urteil auf Widerspruch stoßen. Schon im Vorfeld hatten europäische Stammzellforscher Kritik an der Position des Generalanwalts geübt: Embryonale Stammzellen seien "Zelllinien und keine Embryonen". Sie stammten von überzähligen, in vitro befruchteten Eizellen ab, die nach einer Fruchtbarkeitsbehandlung gespendet wurden. Gerade für innovative Unternehmen sei der Patentschutz nötig, wenn sie in Europa neue Medikamente entwickeln sollten.



So zeigte sich der Bonner Forscher Oliver Brüstle enttäuscht über die Ablehnung seines Stammzell-Patents durch den Europäischen Gerichtshof. "Das ist eine traurige Nachricht für die Wissenschaftler, die in dem Bereich begeistert arbeiten", sagte Brüstle am Dienstag dem epd nach der Urteilsverkündung in Luxemburg. Die Entscheidung der Richter bedeute, dass Europa zwar Grundlagenforschung betreiben, die Ergebnisse aber nicht umsetzen könne: "Die Entwicklung biomedizinischer Verfahren wird in den USA oder in Asien stattfinden."



Jahrelanger Rechtsstreit

Das höchste EU-Gericht hatte zuvor ein Grundsatzurteil gefällt, demzufolge Patente auf menschliche Embryonen und embryonale Stammzellen nicht zulässig sind. Im Zentrum des Verfahrens stand ein Patentantrag Brüstles aus dem Jahr 1997. Er bezieht sich auf sogenannte Vorläuferzellen, die aus embryonalen Stammzellen hergestellt werden und der Behandlung von Nervenleiden dienen.



Nach jahrelangem Rechtsstreit mit der Umweltorganisation Greenpeace war der Fall schließlich auf die europäische Ebene gelangt. Die Luxemburger Richter argumentierten unter anderem mit dem Schutz der Menschenwürde und verwiesen darauf, dass bei der Gewinnung der Stammzellen die Embryonen zerstört werden.