Erzbischof Zollitsch über das "Jahr des Glaubens"

"Wir Deutschen müssen lernen, von Gott zu sprechen"

Am Sonntag hat Papst Benedikt XVI. ein "Jahr des Glaubens" angekündigt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, über Bedeutung der Initiative für die deutsche Kirche und seine Eindrücke vom ersten Kongress zur Neuevangelisierung im Vatikan.

 (DR)

KNA: Herr Erzbischof, was bedeutet das "Jahr des Glaubens" für die deutsche Kirche?

Zollitsch: Ich sehe es so, dass es darum geht, sich auf die Grundlage dessen zu besinnen, wovon wir leben. Wir sollen wissen, dass es in all unserem Tun und unseren Entscheidungen letztlich auf die persönliche Beziehung zu Jesus Christus und Gott ankommt. Dies deutlich zu machen, ist eines der zentralen Anliegen des Papstes. Immer wieder stellt er die Schönheit und den Wert des Glaubens für das Leben heraus und verweist auf die zentrale Rolle Jesu Christi als Fundament dieses Glaubens. Auf dieses Fundament möchte er uns mit dem "Jahr des Glaubens" hinweisen. In diesem Sinne soll auch das Jubiläum des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) begangen werden.



KNA: Welchen Einfluss hat das "Jahr des Glaubens" auf den von der Deutschen Bischofskonferenz eröffneten Dialogprozess?

Zollitsch: Wir werden sehen, wie wir beides intensiv miteinander verbinden können. Beim Dialogprozess geht es ja um eine Erneuerung der Kirche und eine Besinnung auf ihr tragendes Fundament. Die Frage nach dem Glauben ist gleichsam die Folie, vor deren Hintergrund wir den Gesprächsprozess durchführen werden. Diese Folie wird uns immer wieder daran erinnern, das wir Gott hierbei nicht vergessen dürfen. Insofern sehe ich eine gute Verbindung mit dem Gesprächsprozess. Wir haben beides: ein grundsätzliches Problem mit Glauben - viele Menschen stellen die Frage nach Gott gar nicht mehr - und die konkreten Probleme von Gläubigen. Wir müssen beides auch zugleich angehen; da darf es kein "entweder - oder" geben.



KNA: Wie haben Sie den Neuevangelisierungskongress mit mehr als 8.000 Teilnehmern aus aller Welt erlebt?

Zollitsch: Ich habe gesehen, dass es weltweit schon eine ganze Fülle von Initiativen gibt, denen es darum geht, das Evangelium neu zum Leuchten zu bringen. Angefangen von der Jugendarbeit bis hin zu einer irischen Gruppe, die sich mit der Frage beschäftigt, welche Aufgabe Großeltern in der Glaubensvermittlung zukommt. Das Schöne an dem Treffen war, dass eine große Bandbreite von Initiativen vertreten war. Wir haben gesehen, dass die Frage, wie man Menschen anspricht, die sich von der Kirche und vom Glauben entfernt haben, nicht nur in Mitteleuropa ein Thema ist. Es ist eine weltweite Herausforderung. Anderseits konnte ich auch feststellen, dass auf diesem Feld bei uns im Vergleich zu anderen Ländern schon Vieles gemacht wird.



KNA: Welche Anregungen nehmen sie von der Konferenz mit nach Deutschland?

Zollitsch: Was wir Deutsche vor allem von Anderen lernen können, ist, mit einer größeren Selbstverständlichkeit über Fragen des Glaubens zu sprechen. Wenn ich etwa in Nord- oder Südamerika bin, begegne ich Menschen, die mit großer Ungezwungenheit über ihren Glauben sprechen. Wir Deutschen hingegen halten solche Dinge eher im Herzen verborgen. Auf das persönliche Zeugnis kommt es jedoch für die Weitergabe des Glaubens entscheidend an, das hat die Konferenz noch einmal gezeigt. Wir müssen lernen, über Gott und unseren Glauben zu sprechen. Das muss Thema im ganz normalen Gespräch werden.



KNA: Der "Bund der Deutschen Katholischen Jugend" (BDKJ) hat bemängelt, dass die Teilnehmer der Konferenz nicht die gesamte Bandbreite der katholischen Kirche abbildeten. Hauptsächlich seien geistliche Gemeinschaften eingeladen worden, der BDKJ selbst hingegen nicht. Teilen sie diese Kritik?

Zollitsch: Alle, die auf dem Feld der Neuevangelisierung tätig sind, waren eingeladen, sich vor der Konferenz zu melden. Viele geistliche Gemeinschaften und Initiativen haben dies auch getan. Der BDKJ hat sich jedoch erst zu Wort gemeldet, als er merkte, dass er nicht eingeladen ist. Vielleicht haben die Verantwortlichen zu spät entdeckt, dass dies eine Aufgabe für sie ist. Denn was wir in der Jugendarbeit tun, ist ja eine Form der Neuevangelisierung. Ich werde das Thema "BDKJ und Neuevangelisierungskongress" bei meinen Treffen im Vatikan ansprechen.



Das Gespräch führte Thomas Jansen.