Ordensleute demonstrieren seit mehr als 20 Jahren vor der Deutschen Bank

Schon lange "Occupy Frankfurt"

Der Wallstreet-Protest ist nach Deutschland übergeschwappt. Am Samstag gingen in zahlreichen deutschen Städten Menschen auf die Straße - gegen die Macht der Finanzmärkte. Für Gregor Böckermann und seine "Initiative Ordensleute für den Frieden" eine freudige Entwicklung, die ihnen ein wenig Bestätigung verschafft.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Denn schon seit 21 Jahren demonstrieren der 71-Jährige und seine Mitstreiter - mehr oder weniger unbeachtet - an jedem ersten Donnerstag im Monat vor dem Sitz der Deutschen Bank in Frankfurt gegen die Auswüchse des Kapitalismus, den wachsenden Gegensatz zwischen Arm und Reich und eine ungerechte Globalisierung. Mal kamen zehn, mal mehr als 20 Demonstranten. Zuletzt zeigten sich Zeichen der Müdigkeit.

"Wir haben ein wenig den Mumm verloren", räumt Böckermann ein. "Ein Problem ist die Überalterung der Mitglieder", erzählt der frühere katholische Priester, der der Ordensgemeinschaft der Afrikamissionare/Weiße Väter angehörte, bis er 2005 heiratete. Außerdem habe es unter den Mitgliedern der Initiative unterschiedliche Meinungen über die Schärfe der Kapitalismuskritik gegeben. "Zivilcourage ist gefordert, aber oft steht man ganz alleine mit seiner Meinung und Einsicht, auch im Kloster", so seine Erfahrung.

"10 Prozent profitieren - auf Kosten von 80 Prozent"
"Die Deutsche Bank ist die größte und einflussreichste Geschäftsbank Deutschlands. Sie ist für uns Symbol für das kapitalistische Wirtschaftssystem, mächtiger als unsere Politiker in Berlin", begründet Böckermann, warum die Bank für ihn ein "Ort des Unheils" ist. Angesichts kollabierender Finanzmärkte und eines durch Milliarden-Geschenke am Leben gehaltenen Kapitalismus sei es notweniger denn je, nach Alternativen zu suchen, sagt er. "Vom jetzigen Geldsystem profitieren 10 Prozent der Bevölkerung auf Kosten von 80 Prozent, auch in unserem Land."

Die Initiative wurde 1983 gegründet, um gegen den Nato-Doppelbeschluss zu protestieren. Bis 1990 hielten Mitglieder ständige Mahnwachen vor der Cruise-Missile-Basis im Hunsrück ab. Seit 1990 setzt sich die IOF mit dem Kapitalismus auseinander; 2003 wurde sie mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet.

Es waren oft phantasievolle Aktionen, mit denen die Ordensleute auf ihr Anliegen aufmerksam machten: 2003 etwa kippten sie 3,5 Tonnen Sand vor die Deutsche-Bank-Zentrale - um Sand ins Getriebe zu streuen und darauf aufmerksam zu machen, dass das Geldinstitut indirekt Krieg und Terror mitfinanziere. 2008 veranstalteten sie beim Katholikentag in Osnabrück eine alternative Fronleichnamsprozession unter dem Titel "Ja zum Brot - Nein zum Kapital". In der Monstranz befand sich statt einer Hostie ein Geldstück. Auch die Kirche kam nicht ungeschoren davon: etwa bei Mahnwachen, bei denen die IOF gegen eine "Allianz von Kirche und Kapital" demonstrierte.

"Wir stehen aufrecht da"
An diesem Samstag hat der frühere Ordensmann wieder sein Transparent mit der Aufschrift "Kapitalismus geht über Leichen" geschultert und an der Demo unter dem Motto "Occupy Frankfurt" teilgenommen. Ob er und seine Mitstreiter mit ihren Demonstrationen etwas bewirkt haben? "Für die Opfer haben wir sicher nichts erreicht", räumt Böckermann freimütig ein. "Aber wir stehen aufrecht da." Und er verweist darauf, dass inzwischen wohl die Mehrheit der Deutschen meine, dass "unser Wirtschaftssystem über Leichen geht".

Welche Alternative es gibt? Der 71-Jährige erinnert an den zornigen Jesus im Tempel, der die Tische der Händler umgestoßen hat. "Jesus wollte Gerechtigkeit", interpretiert er die Bibelstelle als Aktion zivilen Ungehorsams. Ziel müsse ein Wirtschaftssystem sein, das "ein Leben in Fülle für alle Menschen" ermögliche.

Noch vor ein paar Jahren war Böckermann überzeugt, dass "das kapitalistische Wirtschaftssystem noch zu meinen Lebzeiten gekippt wird". Da ist er inzwischen etwas pessimistischer. Dennoch haben er und Mitstreiter vor Monaten noch einmal ein Apfelbäumchen vor dem Sitz der Deutschen Bank gepflanzt - ganz im Sinne von Martin Luthers Wort: "...wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen ..."