Kopten-Bischof zur Lage in Ägypten

"Die hässliche Fratze der Revolution gesehen"

Die Wucht der jüngsten Ausschreitungen gegen koptische Christen in Ägypten hat Bischof Anba Damian "sehr überrascht". Der Geistliche betreut vom westfälischen Höxter aus die rund 6.000 in Deutschland lebenden Kopten. Ein Gespräch über Hintergründe und Folgen der Eskalation.

 (DR)

KNA: Bischof Damian, was genau ist da eigentlich am gestrigen Sonntag in Kairo passiert?

Damian: In der Innenstadt haben mehrere tausend Kopten zunächst friedlich gegen den Brandanschlag auf eine Kirche in der Region von Assuan protestiert. In den frühen Abendstunden ging es dann los. Die Überraschung war groß, als die Armee mit scharfen Waffen und gepanzerten Fahrzeugen gegen die Demonstranten losging. Sie haben in die Menge geschossen und sind mit Panzern über Menschen gefahren.  Wir wissen bislang von 35 toten und 200 Verletzten.



KNA: Wie haben Sie persönlich von den Ausschreitungen erfahren?

Damian: Wir haben ein gut funktionierendes Netzwerk in der ganzen Welt. Ich konnte das Geschehen am Abend über Handy-Videos, E-Mails und Kurznachrichten sozusagen live mitverfolgen. Ich habe Schüsse gehört, die Schreie der Verletzten und Bilder von Verwundeten gesehen.



KNA: Was ging da in Ihnen vor?

Damian: Ich empfand eine Mischung aus Traurigkeit, Depression, Hilflosigkeit und Wut.



KNA: Blicken wir trotz alledem auf die politische Großwetterlage - wie hat sich die Lage für die Kopten seit dem Sturz von Hosni Mubarak im Frühjahr verändert?

Damian: Im arabischen Frühling haben wir das schöne Gesicht der Revolution gesehen, nun zeigt sich die hässliche Fratze dahinter. Unter Mubarak hatten die Kopten zwar auch keinen gesetzlich garantierten Schutz - aber er hat mit seinem persönlichen Einsatz jene Kräfte in Schach gehalten, die nun nach vorne drängen und den Kopten gefährlich werden können.



KNA: Welche sind das?

Damian: Es gibt derzeit drei wichtige Kräfte im Land: die Übergangsregierung, das Militär und die Islamisten. Im Militär gewinnen die religiösen Extremisten immer mehr die Oberhand. Und uns fehlt zugleich ein seriöser Ansprechpartner, der unsere Interessen vertritt. Solange man nicht ehrlich über die Probleme redet und die Täter unbehelligt bleiben, ist ein Ende der Gewalt nicht in Sicht.



KNA: Könnte politischer Druck aus dem Ausland weiterhelfen?

Damian: Ägypten ist Teil der Völkergemeinschaft und muss als solches an seine Verpflichtungen zum Schutz von Minderheiten erinnert werden. Daran kann auch die Bundesregierung mitwirken.



KNA: Und was können die Kopten im Ausland für ihre Glaubensbrüder in Ägypten tun?

Damian: Die Mutterkirche hat weltweit ein dreitägiges Fasten und Beten angeordnet. In Deutschland planen wir, mit einem Protestzug auf die Situation in unserer Heimat aufmerksam zu machen. Derzeit laufen die Planungen. Ich gehe davon aus, dass wir bereits an diesem Wochenende in Berlin demonstrieren werden.



Das Gespräch führte Joachim Heinz.