Nach der Gewalt von Kairo Diskussion um Hergang und Lage im Land

Sorge um Ägypten

Nach den blutigen Unruhen in Kairo hat die Diskussion über den Hergang begonnen. Vertreter der koptischen Christen geben den ägyptischen Sicherheitskräften die Schuld für den Tod von mehreren Dutzend Menschen. Europäische Politiker sind besorgt wegen der Gewalt.

 (DR)

Medien im Nahen Osten berichteten am Montagmorgen (10.10.2011) von 35 getöteten Kopten und mehr als 300 Verletzten. Die Zahl könne noch weiter steigen, da viele Tote noch nicht identifiziert seien. Das ägyptische Staatsfernsehen berichtete, die koptischen Demonstranten hätten 3 Soldaten getötet und 20 verletzt. Zahlen über getötete Kopten wurden dort nicht genannt.



Nach einer Demonstration von koptischen Christen war die Lage in der Hauptstadt Kairo am Sonntagabend eskaliert. Nach Einschätzung von Beobachtern handelte es sich um die schlimmsten Auseinandersetzungen in Kairo seit dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak. Mehrere tausend Kopten wollten mit einer Sitzblockade vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens dagegen protestieren, dass radikale Muslime vor eineinhalb Wochen eine koptische Kirche in der Provinz Assuan teilweise zerstört hatten. Die Kopten fühlen sich von der gegenwärtigen Militärregierung nicht ausreichend gegen radikale Muslime geschützt.



Die westlich orientierte arabische Zeitung "Al-Hayat" berichtete, dass Armeefahrzeuge Demonstranten überrollt hätten. Umstritten ist in der medialen Berichterstattung, ob auch die koptischen Demonstranten Waffen bei sich hatten. Koptische Geistliche wiesen entsprechende Aussagen zurück; die Armee habe die koptischen Demonstranten vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens eingekreist und dann willkürlich auf sie geschossen. Danach seien Militärfahrzeuge über Demonstranten gerollt.



EU-Außenminister besorgt

Die Lage in Ägypten ist auch Thema der EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Luxemburg. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verurteilte bei seiner Ankunft in Luxemburg am Montag die nächtlichen Unruhen scharf. Die ägyptische Führung müsse wissen, wie wichtig religiöse Pluralität und Toleranz seien. Alle Stellen des Landes müssten ihren Beitrag dazu leisten, dass die Ausübung des Glaubens geschützt wird, so Westerwelle.



Der deutsche Außenminister unterstrich, auch die Christen in Ägypten hätten das Recht, frei und ungehindert ihren Glauben ausüben zu können. Westerwelle wörtlich: "Wer als Christ seinen Glauben praktizieren möchte, muss das frei tun können, ohne dass er körperlich bedroht wird oder um sein Leben fürchten muss." Religiöse Toleranz und Pluralität seien nicht nur für die Bundesregierung, sondern auch für die Europäer von essenzieller Bedeutung, so der Minister.



Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton betonte, das Recht auf freie Religionsausübung und Meinungsfreiheit gehörten zu den absolut grundlegenden Werten der EU. Die EU erwarte, dass Ägypten Menschen jeder Glaubensrichtung schütze und die Wahlen in einer Weise vorbereite, die niemanden ausschließe. Dies habe sie der Führung des Landes auch mehrfach mitgeteilt, so Ashton.



"Alarmiert"

Zahlreiche weitere EU-Außenminister verurteilten die Gewalt in Ägypten. Der Niederländer Uri Rosenthal nannte die Turbulenzen in Kairo extrem beunruhigend. Die Behörden des Landes müssten Religionsfreiheit für alle Glaubensrichtung garantieren, einschließlich der christlichen Gemeinschaft der Kopten.



Schwedens Außenminister Carl Bildt unterstrich, die Behörden des nordafrikanischen Landes müssten jeden Bürger schützen und das Recht auf Meinungsfreiheit gewährleisten. Sein britischer Amtskollege William Hague zeigte sich "alarmiert" über die Vorgänge in Kairo. Er appellierte an alle Seiten, sich der Gewalt zu enthalten. Die ägyptische Regierung müsse überdies bekräftigen, dass die Glaubensfreiheit im Land garantiert werde.



Der dänische Außenminister Villy Sövndal forderte die EU auf, die Gewalt in Kairo scharf zu verurteilen. Ägyptens Führung müsse das Signal erhalten, dass die EU religiöse Auseinandersetzungen nicht akzeptiere.