Wowereit und Henkel führen Koalitionsgespräche in Berlin

Zwei Katholiken verhandeln um die Macht

Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit den Grünen nehmen die Berliner Sozialdemokraten nun Gespräche mit den Christdemokraten auf. Vieles spricht dafür, dass die Bundeshauptstadt künftig von einem rot-schwarzen Senat regiert wird
- unter Führung von zwei Katholiken.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
 (DR)

Beim Requiem für den verstorbenen Berliner Kardinal Georg Sterzinsky vor einem Vierteljahr saß noch die "Grüne" Renate Künast zwischen ihnen. Nun sind Klaus Wowereit und Frank Henkel, die Spitzenvertreter von SPD und CDU in Berlin, unerwarteterweise zusammengerückt. Nach dem Scheitern ihrer Koalitionsverhandlungen mit den Grünen nehmen die Sozialdemokraten nun Gespräche mit den Christdemokraten auf. Vieles spricht dafür, dass die Bundeshauptstadt künftig von einem rot-schwarzen Senat regiert wird

- unter Führung von zwei Katholiken.



Wowereit wirft der Kirche "unzeitgemäße" Moral vor

Aus kirchlicher Sicht birgt eine solche Konstellation dennoch viele Unbekannte in einer Metropole, in der die Katholiken nur eine Neun-Prozent-Minderheit sind. Zwar hält der bisherige und künftige Regierende Bürgermeister Wowereit mit seiner Konfessionszugehörigkeit nicht hinter dem Berg. Zuletzt vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI. verhehlte der offen schwule Landeschef aber nicht, wie sehr er in vielen Punkten mit seiner Kirche überkreuz liegt. So wirft er ihr "unzeitgemäße" Moralvorstellungen vor.



Einschneidender war jedoch der Widerstand, den Wowereit den Kirchen etwa in der Frage des Religionsunterrichts bot. So setzte er alles daran, dass der Volksentscheid "Pro Reli" vor gut zwei Jahren zuungunsten der Kirchen ausging. So ist der Religionsunterricht weiter kein gleichberechtigte Alternative zum staatlichen Ethikfach und hat faktisch den Rang einer Arbeitsgemeinschaft. Auch in der staatlichen Finanzierung ihrer Schulen sehen sich die Kirchen zusammen mit den anderen freien Trägern dauerhaft unter Kürzungsdruck.



In Bildungsfragen über Kreuz

Dem müsste sich Henkel in den anstehenden Verhandlungen laut Wahlprogramm der CDU nun nachdrücklich widersetzen. Darin kritisieren die Christdemokraten unter dem Motto "Das muss sich ändern", die Schulen in freier Trägerschaft würden gegenüber staatlichen Schulen finanziell benachteiligt. Stattdessen wollen die Christdemokraten mit einem "verlässlichen und transparenten Finanzierungsmodell" für die freien Schulen sicherstellen, "dass der Senat für jeden Schüler vergleichbare Kosten übernimmt".



Am Status des Religionsunterrichts will die CDU nach dem Ausgang des Volksentscheids "Pro Reli" offenbar aber nicht mehr rütteln. Zwar wirft die Partei dem bisherigen rot-roten Senat vor, die Etablierung von Religionsunterricht an den Schulen hintertrieben zu haben. Eine neue Debatte über den Wert des Fachs, wie vom Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki erhofft, lässt zumindest das Wahlprogramm nicht erwarten.



Henkel hatte sich für "Pro Reli" stark gemacht

Ungeachtet dessen hat sich Henkel als Berliner Partei- und Fraktionschef in den vergangenen Jahren nachdrücklich für die Kirchen stark gemacht. So erhob er "Pro Reli" zur "Chefsache" und warnte SPD und Linkspartei vor einem "antireligiösen Staatsverständnis" und einem Kirchenkampf. Zu Wowereit hat er dessen ungeachtet nach eigenem Bekunden "ein entspanntes Verhältnis".



Auch wenn sich Henkel bei kirchlichen Veranstaltungen nicht in den Vordergrund drängt, hält auch er mit seinen religiösen Wurzeln nicht hinter dem Berg. "Na, gehst Du wieder zu Deinem Gott beten?", musste der gebürtige Ost-Berliner zu DDR-Zeiten hören, wenn er nach der Schule den Religionsunterricht im Pfarrhaus besuchte. Auch nach seiner Übersiedlung 1981 in den Westteil der Stadt bekennt er sich zu seinem Glauben. Die Bibel ist ihm Leitbild für eine wertegeleitete Politik, wie der 47-Jährige jüngst als Gastprediger in der Charlottenburger Kirchengemeinde Sankt Canisius betonte.