Debatte um Verbalangriff auf Bosbach

"Mit dem Wortgebrauch einer christlichen Partei unvereinbar"

Inzwischen hat sich Kanzleramtschef Pofalla für die Verbalattacke gegen seinen Parteikollegen Bosbach wegen dessen Kritik am EU-Kurs seiner Partei entschuldigt. Für Parteienforscher Everhard Holtmann beweist im domradio.de-Interview die Episode einen hohen "Pegel der Nervosität" in den Regierungsreihen.

 (DR)

domradio.de: Wie konnte es zu den Entgleisungen Pofallas kommen?

Holtmann: Es verweist auf die Zwänge, denen in einer parlamentarischen Demokratie das Regierungsgeschäft - zumal in wirtschaftspolitisch schwierigen Zeiten - ausgesetzt ist. Denn: Eine Kanzlermehrheit ist Ausweis der Regierungsfähigkeit. Sie steht gewissermaßen dann mit dem Erfolg bei wichtigen Abstimmungen symbolisch für die Handlungsfähigkeit der Regierung. Und diese Spannungslage verändert sich in Zeiten wie diesen. Auch mit ihren kontroversen Einschätzungen in die Fraktion hinein, d.h. dass auf der einen Seite die Geschlossenheit der Regierungsfraktionen sehr schwer herzustellen ist. Und auf der anderen Seite aber die Kanzlerin als Regierungschefin alles tun muss, um entsprechende Mehrheiten herzustellen. Das hat auch den Pegel der Nervosität in den eigenen Reihen - beim Krisenmanagement sozusagen - entsprechend nach oben getrieben. Und so erklären sich sicherlich auch die verbalen Ausfälle Pofallas gegenüber Bosbach.



domradio.de: Die Kanzlermehrheit stand auf dem Spiel. Dennoch: Wie würden sie das Ganze einschätzen?

Holtmann: Sie ist zunächst mal mit dem Wortgebrauch einer christlichen Partei unvereinbar. Sie widerspricht auch den bürgerlichen Konventionen und Umgangsformen. Das ist übrigens Herrn Pofalla so längst einsichtig geworden, es hat offenbar eine Entschuldigung gegeben.



domradio.de: Bei Wolfgang Bosbach haben wir es ja nicht mit einem Hinterbänkler zu tun. Er war ganz klar schon vorher für eine Ablehnung. Ist es in der deutschen Demokratie nicht möglich, dass ein so profilierter Politiker Kritik übt und damit klare Position bezieht?

Holtmann: Das muss auf jeden Fall möglich sein. Weil ja in einer Demokratie die Transparenz und auch die Meinungsfreiheit des politischen Regierungsgeschäfts wie auch der einzelnen Abgeordneten entsprechend hoch einzuschätzen sind. Auf der anderen Seite: Es ist ja bekannt, dass zum Parlamentarismus auch die latente Spannungslinie zwischen der Regierungsmehrheit auf der einen und dem Regierungswillen auf der anderen Seite gehört.



Das Gespräch führte Monika Weiß. Hören Sie es hier in voller Länge nach.