Wolfgang Bosbach erwägt Rückzug aus der Politik

"Ich will kein Problembär sein"

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, erwägt, sich wegen des Streits um den Euro-Rettungsschirm und des Drucks auf ihn aus den eigenen Reihen aus der Politik zurückzuziehen. Im domradio.de-Interview erläutert der Katholik Bosbach die Gründe.

 (DR)

domradio.de: Herr Bosbach, im Vorfeld wurde immer wieder über den Koalitionszwang diskutiert, über die Geschlossenheit in der Partei. Sie sind bis zum Schluss standhaft geblieben und sind abgewichen von der Gesamtmeinung. Ohne Namen zu nennen, was mussten Sie sich von den Parteikollegen anhören?

Bosbach: Interessant ist ja schon der Begriff Abweichler, denn im Grunde bin ich ja nur bei dem geblieben, was die CDU zum Thema Euro jahrelang gesagt hat! Ich stehe auch heute noch zu dem, was wir im Oktober 2010 beschlossen haben. Ich habe meine Meinung gar nicht geändert! Und trotzdem haben Sie mit der Bezeichnung natürlich Recht. Mir war klar, stimmst du nicht mit der Mehrheit, gibt es Probleme. Mir war nicht klar, wie schnell das ins Persönliche gehen würde. Ich hatte damit gerechnet, dass wir hart in der Sache debattieren, stattdessen wurden die Kritiker doch schnell in eine Ecke gestellt. Nur zwei Beispiele: Es wurde behauptet, im Grunde ginge es den Abweichlern nicht um den erweiterten Rettungsschirm, sondern die sind gegen die EU, die wissen die Bedeutung des europäischen Einigungsprozesses nicht zu schätzen, auch die politische Bedeutung des Projektes Euro nicht. Mir persönlich wurde unterstellt, ich sei nur dagegen, weil meine Karriereerwartungen nicht erfüllt sind. Dann ist die Grenze zur üblen Nachrede überschritten! Denn ich habe ja bisher allen Rettungsbemühungen zugestimmt.



domradio.de: Was entgegnen Sie denn Ihren Kritikern? Die sachlichen Argumente gegen den Rettungsschirm können Sie vermutlich im Schlaf runterbeten - aber wollen Sie noch sachlich argumentieren?

Bosbach: In den ersten Monaten war das so. Ich habe ja an allen Fraktionssitzungen teilgenommen und da ging es um Daten, Zahlen und Fakten, und da ging es wirklich um die Sache, um die auch gerungen wurde. In den letzten Wochen war aber im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses fast nur noch die Frage, ob die Regierung die Kanzlermehrheit bekommt, oder nicht. Da geht es nicht mehr um Details in der Sache, sondern um Geschlossenheit. Und dann hast du sofort ein Problem, weil dann gesagt wird, wir seien eine große Kameradschaft als Fraktion und wir müssten zusammenhalten. Und jeder, der sich aus dieser Gemeinschaft wegbegibt, der bereitet den anderen Kolleginnen und Kollegen Probleme. Ich will aber kein Problembär sein, ich möchte kein Problemfall werden für die Fraktion, sondern ich möchte ein guter Kollege sein und der Fraktion helfen. Aber wenn man das Gefühl vermittelt bekommt, jetzt musst du dich entscheiden zwischen deiner Überzeugung und der Kameradschaft in der Fraktion, dann steckt man in der Zwickmühle. Gut, da habe ich mich jetzt selber hineingebracht, aber mit der gestrigen Entscheidung ist es ja nicht getan. Ich wette mit Ihnen um jeden Betrag, dass die Themen uns erhalten bleiben, demnächst geht es ja schon wieder los mit dem dauerhaften Rettungsschirm.



domradio.de:  Kam die harsche Kritik an Ihrer Person auch aus der Parteispitze?

Bosbach: Da gerade nicht, das ist eine erfreuliche Erfahrung, es hat ja längerere Gespräche gegeben, sowohl mit Angela Merkel als auch mit Volker Kauder, und die sind in jeder Hinsicht fair verlaufen. Im Auswärtigen Dienst würde man sagen: Es war eine offene Aussprache.



domradio.de: Sie hätten sich ja auch der Stimme enthalten können. Wäre das nicht diplomatischer gewesen?

Bosbach: Solche Gedanken kommen einem ja. Man denkt auch darüber nach, ob man denn unbedingt an der Abstimmung teilnehmen muss. Das hätte ich ja nicht gemusst. Geht aber nicht! Man muss Flagge zeigen! Oder die Frage, ob man sich nicht enthält. Aber dann setzt man sich zwischen alle Stühle. Wenn man eine Überzeugung hat, muss man auch zu ihr stehen! Es gibt Situationen, da ist der berühmte Mittelweg nicht die Lösung, da muss man Ja oder Nein sagen.



domradio.de: CSU-Chef Seehofer hat Ihnen indirekt den Rücken gestärkt, den Umgang mit Ihnen als extrem bedauerlich bezeichnet. Auch mit dem Hinweis, die CDU habe ja schon eine ganze Reihe von Persönlichkeiten verloren. Sind Sie der nächste?

Bosbach: Jein! Ich schmeiße nicht Brocken hin, ich lege mein Mandat nicht nieder. Aber ob ich 2013 noch einmal antrete, das will ich mir jetzt mal in aller Ruhe überlegen, ich schaue mir jetzt mal die nächsten Wochen und Monate an, sowohl politisch-inhaltlich, als auch im zwischenmenschlichen Umgang. Im Kern geht es mir aber um etwas anderes: Ich weiß, wie wichtig Geschlossenheit in einer Partei ist. Aber liebe Leute, dieses Thema Eurorettung treibt die Menschen doch um, wir sind doch alle hin- und hergerissen. Es ist ja auch ein großer Teil der Bevölkerung, der Bedenken hat, doch nicht Bosbach gegen alle! Und da muss man doch drüber diskutieren. Das muss eine Partei doch aushalten. Wir sagen immer, wir sind eine große Volkspartei, bei uns wird lebendig diskutiert. Das ist die Theorie, aber dann müssen wir das auch in der Praxis tun. Ich bin der festen Überzeugung, es schadet im Ergebnis Parteien nicht, wenn die Menschen sehen, da gibt es unterschiedliche Auffassungen, die gibt es in der Bevölkerung auch, es schadet uns mehr, wenn wir nicht ordentlich miteinander umgehen.

Das Interview führte Tobias Fricke.



Hintergrund

Der in Bergisch Gladbach bei Köln geborene Wolfgang Bosbach ist überzeugter Katholik, die Bibel ist sein Lieblingsbuch und Jesus Christus für ihn die wichtigste Figur der Geschichte. Er ist verheiratet und hat drei Töchter. Auf die Frage, was ihn antreibe, antwortete Bosbach: "Meine Verantwortung in Staat und Gesellschaft und vor allem denjenigen gegenüber, die mir in Wahlen Vertrauen schenken."--


Bosbach, Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, war einer von zehn Unions-Abgeordneten, die bei der Bundestagsabstimmung zum EFSF am Donnerstag mit Nein gestimmt haben. Eine Abgeordnete enthielt sich. Bei der FDP gab es drei Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Die Regierung bekam somit knapp die erhoffte Kanzlermehrheit - die absolute Mehrheit für die Erhöhung der Milliardengarantien für kriselnde Euro-Staaten, und Bosbach einigen Ärger aus der Fraktion als Abweichler.