Die katholische Woche der Kanzlerin

Merkel, der Papst und Philipp Rösler

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel im Mariengarten an der Hannoverschen Straße in Berlin vor die Kameras tritt und über den Papst sprechen soll, schwärmt sie plötzlich von der Katholischen Akademie. Dieser "geistliche Ort" in der Hauptstadt sei ihr wichtig. Immerhin dreimal innerhalb einer Woche schaut sie nun dort vorbei.

Autor/in:
Volker Resing
 (DR)

Am vergangenen Donnerstag traf sie mit Benedikt XVI. in der Bibliothek der Katholischen Büros zusammen. Am Dienstag stellte sie im Restaurant des Hauses eine Biografie über Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) vor - und am heutigen Mittwoch schließlich sitzt sie im Katholischen Tagungszentrum beim traditionellen Michaelsempfang der Deutschen Bischofskonferenz in der ersten Reihe und lauscht den Worten des Konferenz-Vorsitzenden, Erzbischof Robert Zollitsch.



Doch trotz Papst, Bischöfen und Gottesmutter - Merkel belässt es bei ihrer distanziert-höflichen Haltung zum Katholizismus. Nach der Begegnung mit dem Papst erwarten die Journalisten sie im kleinen Hofgarten der Akademie zu einem persönlichen Wort. Vor der Marienfigur brennt eine Kerze, doch die Regierungschefin lässt sich nicht vereinnahmen. Nüchtern berichtet sie von Gesprächen über die Finanzkrise und die Globalisierung. Keine Silbe über die Person des Papstes und die Verstimmungen, die es einmal gab nach ihren kritischen Äußerungen zur Affäre um den britischen Traditionalistenbischof und Holocaustleugner Richard Williamson. Die katholische Kirche habe als Weltkirche klare Vorstellungen, erklärt sie. Und die Politik müsse Gestaltungskraft in der Krise behalten. Später schiebt sie noch nach: "Das war ein anregendes und für mich wichtiges Gespräch."



"Ohne Kirchen würde Deutschland sozial kälter"

Der christliche Glaube bietet für Politiker nach Merkels Worten eine wichtige Hilfestellung, die "uns trägt", sagt sie im Anschluss an die Bundestagsrede des Papstes. Das Christentum lehre, dass die Menschen die Welt aktiv gestalten müssten und ihre Entscheidungen nicht als Getriebene treffen sollten. Dass diese Entscheidungen "im Sinne der Gerechtigkeit" ausfallen müssten, habe Benedikt XVI. deutlich gemacht. Den Dialog des Papstes mit der evangelischen Kirche würdigte die Kanzlerin als "deutliches Zeichen" für die Ökumene. Der Papst habe auch "nichts vertüncht", so Merkel.



Auch unmittelbar vor dem Papstbesuch hatte Merkel die gesellschaftliche Bedeutung der Kirchen hervorgehoben. Als religiöse Kraft und gesellschaftliche Akteure seien die Kirchen wichtig und nötig. Sie zeigte sich überzeugt, dass "uns der Papstbesuch bereichert". Sie erhoffe sich von der Visite Orientierung "in diesen gewiss nicht leichten Zeiten". "Ohne Kirchen würde Deutschland sozial kälter", sagte die Kanzlerin. Im Bildungsbereich und im Sozialwesen seien die Kirchen wichtige Leistungserbringer. Forderungen nach Abschaffung der Staatsleistungen sowie Änderungen am Staatskirchenrecht lehne die CDU daher ab. Die Kirchen wirkten sinnstiftend und schafften Zusammenhalt.



Evangelische Pfarrerstochter

An dem Platz, an dem der 84-jährige Papst vergangene Woche zu Mittag gegessen hat, nimmt sie sich am Dienstag dann den Lebenslauf ihres jungen 38-jährigen Vizes vor. "Der Glaube ist mein innerer Kompass", sei einer von vier Kernsätzen Röslers, die den FDP-Chef charakterisieren würden, sagt die Kanzlerin. Sie stellt eine Biografie über den Wirtschaftsminister vor und kann dabei auf kirchlichem Grund die Nähe der Beiden betonen und die Einigkeit von FDP und CDU demonstrieren. Zwischentöne inklusive. Sie könne inzwischen durchaus auch Ratschläge geben, angenehme und unangenehme, sagt sie mit Blick auf Rösler. Das bringe ihre inzwischen gesammelte Erfahrung so mit sich. Rösler empfiehlt sie Gelassenheit - auch wenn es stürmt. Durchaus eine christliche Tugend. Besonders gefalle ihr Röslers Satz zu Grundgesetz: "Der Gottesbezug schützt den Menschen vor sich selbst."



Bei der innerkatholischen Bilanzierung des Papstbesuch wird sich die evangelische Pfarrerstochter am heutigen Mittwochabend beim Michaelsempfang eher zurückhalten. Was sie von dem viel diskutieren Appell des Papstes hält, die Kirche solle nicht auf weltliche Privilegien setzen und ihren Auftrag in der Welt konsequenter erfüllen, ist noch nicht bekannt. Während ihres Talkshow-Auftritts bei Günther Jauch am Sonntag bekannte sie: "Mir hilft, dass ich Christ bin. Dass es Gott gibt, das ist für mich sehr wichtig, um die Dinge auch immer wieder einzuordnen."



Das Verhältnis zwischen Merkel und der Kirche war nicht immer so ungetrübt. 2009 hatte die Kanzlerin nach der Aufhebung der Exkommunikation von vier Traditionalistenbischöfen den Papst öffentlich aufgefordert, seine Haltung zur Holocaust-Leugnung des Briten Williamson klarzustellen. Das war vom konservativen Flügel der Union heftig kritisiert worden und stellte den Beginn der seitdem andauernden Debatte um das konservatives Profil der CDU dar.