30 Jahre Erklärung "Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft"

"Visionär, ja fast sensationell"

Heute vor 30 Jahren veröffentlichten die deutschen Bischöfe die Erklärung "Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft". Über ihre Wirkung bis heute spricht im domradio.de-Interview Dr. Claudia Lücking-Michel, Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

 (DR)

domradio.de: Damals, vor 30 Jahren, haben die Bischöfe von einer Herausforderung gesprochen. Was würden Sie heute sagen?

Dr. Claudia Lücking-Michel: Es ist mmer noch eine Herausforderung und viel mehr als damals womöglich. Wenn ich mich zurückerinnere, wie ich das damals als junge Theologiestudentin wahrnahm, muss ich sagen, dass ich das Hirtenwort damals schnell zu den Akten gelegt habe - nach dem Motto: Warum soll man über Selbstverständlichkeiten so viele Worte machen. Das war damals eine grandiose Fehleinschätzung.



Nach 30 Jahren würde ich sagen: Wir sind an vielen Stellen nicht viel weiter gekommen, und dass die Bischöfe das damals so formuliert haben, war visionär, ja fast sensationell.



Und heute ist diese Herausforderung nicht weniger geworden, sondern die Bischöfe haben ja über die Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft geredet, und da nehme ich jetzt wahr, dass die Entwicklungen in sehr unterschiedlichem Tempo vorangeschritten sind. Man könnte sagen, in der Gesellschaft ist es viel schneller vorangegangen und die Kirche hinkt hinterher. Und die Diskrepanz wird jetzt natürlich zu einer zusätzlichen Herausforderung und zu einer Anfrage an die kirchliche Situation.



domradio.de: Was war den Bischöfen denn vor 30 Jahren in ihrer Erklärung "Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft" besonders wichtig?

Lücking-Michel: Ich habe das jetzt mit großer Aufmerksamkeit und großem Interesse wieder gelesen und mir fällt auf, dass die Bischöfe damals schon   für die Kirche nicht selbstverständlich   sehr deutlich machten, dass die Berufung der Frauen nicht etwa auf ihre Rolle als Frau und Mutter begrenzt ist, sondern dass sie sehr wohl ihre Aufgabe im Aufbau der Gesellschaft sehen. Frauen sind für beide Bereiche wichtig und können in beiden Bereichen mitwirken. Das haben wir später in kirchlichen Texten immer noch wieder anders gehört und auch heute noch hören wir von vielen kirchlichen Verantwortungsträgern mehr oder weniger offen immer wieder die Rückmeldung oder die Botschaft: Frauen werden vor allem in der Familie und als Mütter gebraucht. Das andere aber, was die Bischöfe damals wirklich gesagt haben, die veränderte Stellung der Frauen in der Gesellschaft, ihr Selbstbewusstsein, ihre Ausbildung ist ein Zeichen der Zeit, was für die Kirche selbst wichtig ist und worüber wir nicht hinweggehen wollen. Wir sind mehr, wunderbar!



domradio.de: Die Erklärung der Bischöfe geht von der Gleichwürdigkeit von Frau und Mann aus. Sie haben es schon gesagt: Das ist nicht der Fall. Wie würden Sie denn die tatsächliche Situation zwischen Frauen und Männern in der Kirche heute beschreiben?

Lücking-Michel: Ich nehme da eine Diskrepanz wahr. Natürlich unterschreibt Ihnen jeder und jede, Männer und Frauen seien gleich würdig, gleichwertig, gleichberechtigt, aber das sind an vielen Stellen einfach nur Parolen. Ich würde einmal sagen, auch in der Kirche hat sich in den 30 Jahren etwas getan, im Dezember haben wir gehört: Frauen dürfen nun Lektorinnen sein, sensationell ... Aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus, denn jenseits dessen, dass Frauen in Stellen und Aufgaben eingerückt sind, die sie vor 30 Jahren auch in der Kirche nicht hatten, gilt nach wie vor, dass sie allein aufgrund der Tatsache, dass sie Frauen sind und nicht etwa in Hinblick auf ihre Ausbildung, Qualifikation und Fähigkeiten, sondern nur und ausschließlich weil sie Frauen sind, an ganz vielen Stellen von gleichberechtigter Teilhabe ausgeschlossen sind. Und das ist ja eine deutliche Diskrepanz zwischen Wortverkündigung und Stellungnahme einerseits und der Wirklichkeit, wie Frauen sie heute erleben, andererseits.



domradio.de: Wer sorgt denn hauptsächlich dafür, dass Frauen die Katholische Kirche mitgestalten?

Lücking-Michel: Frauen selbst! "Frauen bewegen Kirche’ ist die Überschrift einer Serie von Stellungsnahmen, die wir aus Anlass des 30-jährigen Jahrestages jetzt auf der ZdK-Homepage haben. Der Spruch: "Wir sind eine von Männern geleitete Frauenkirche’, diese Erkenntnis hat nichts an Wirklichkeit verloren. Frauen halten die Kirche lebendig vor Ort und machen an vielen entscheidenden Stellen die Arbeit, ohne dann letztlich Verantwortung und gleichberechtigte Teilhabe zugesprochen zu bekommen.



domradio.de: Was muss sich aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren noch tun?

Lücking-Michel: Da bin ich bescheiden geworden und würde sagen: Gucken wir einfach in das Hirtenwort, und wenn all das passiert und an all den Punkten weitergearbeitet wird, die die deutschen Bischöfe sich vor 30 Jahren schon vorgenommen haben, das wären schon enorme Schritte. Da geht es zum einen darum, dass mit Blick auf Ämter und Aufgaben alles, was im gemeinsamen Priestertum der Gläubigen möglich ist, auch für Frauen möglich sein soll. Diese Aufgaben und Ämter sollen für Frauen offenstehen. Da erlebe ich es wieder an viel zu vielen Stellen, dass es indirekt oder direkt darum geht, Männer, v.a. Priester, mit Aufgaben zu betrauen, die jenseits der Frage von Weiheamt etc. auch und gerade auch für Frauen sinnvoll wären. Dann schreiben die Bischöfe hier, dass die Frage des Diakonats, die immerhin schon von der Würzburger Synode als Anfrage gestellt wurde, aufzugreifen und zu prüfen ist. Wir haben uns jetzt nun schon ’rauf- und ’runtergeprüft, die wissenschaftlichen Stellungnahmen und Promotionen und Arbeiten dazu haben schon Kilogewichte, jetzt endlich sollte auch an der Stelle etwas vorangehen. Das wären zwei Punkte   mir fiele noch deutlich mehr ein  , wo ich in aller Bescheidenheit sagen würde, was wünschenswert wäre, aber hoffentlich realistisch ist, ist wenigstens die Erinnerung an das, was im Hirtenwort schon festgehalten ist.  



Das Interview führte Aurelia Plieschke.



Hintergrund

Katholische Laienverbände haben eine stärkere Beteiligung von Frauen in der Kirche gefordert. "Die Zukunft unserer Kirche wird entscheidend davon abhängen, wie Frauen sich in die Gestaltung und Leitung unserer Kirche einbringen können", erklärte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, am Montag in Bonn. Die vor 30 Jahren veröffentlichte Erklärung der deutschen Bischöfe "Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft" sei bereits "ein wichtiger Wegweiser" gewesen.



Der Text von 1981 hat nach Ansicht von Glück noch heute "visionäre Züge". Die damals für die Gesellschaft beschriebenen Positionen und Aufgaben seien in beachtlichem Umfang Wirklichkeit geworden. Für die katholische Kirche gelte dies allerdings nicht in vergleichbarer Weise, so der ZdK-Präsident.



Auch der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) kritisierte eine mangelhafte Umsetzung des Bischofsworts in der Kirche. Es sei sehr bedauerlich und tue weh, dass das 1981 von den Bischöfen gesetzte Zeichen in der Kirche so "wenig Frucht gebracht" habe, kritisierte die KDFB-Präsidentin Ingrid Fischbach. Den damals "fortschrittlichen Worten" seien kaum Taten gefolgt. Auch deshalb hätten "unzählige Frauen die Kirche enttäuscht und verletzt" verlassen.