Offenbar kein Nutzen aus Rückerstattung

Resignation bei Katholiken in der Türkei

Die katholische Kirche profitiert offenbar nicht von der Ankündigung zur Rückerstattung von enteignetem Kirchenbesitz. Das ist die Meinung der Bischofskonferenz vor Ort. Für orthodoxe Christen sehen die Vorzeichen dagegen besser aus.

 (DR)

In Istanbul verdichten sich Erwartungen, dass die Wiederöffnung des orthodoxen Priesterseminars und der Theologischen Hochschule auf der Prinzeninsel Chalki unmittelbar bevorstehen könnte. In diesem Sinn wird auch eine jüngste Ernennung interpretiert: Der Metropolit von Bursa (Brussa), Elpidophoros Lambrinidis, ist neuer Abt des Dreifaltigkeitsklosters auf Chalki. Er soll die Leitung des Seminars und der Hochschule übernehmen.



Geschlossenes Priesterseminar war Dauerthema im Fortschrittsbericht der EU

Mit der Wiedereröffnung des griechisch-orthodoxen Seminars würde ein Stolperstein aus dem Weg geräumt, der nicht zuletzt über viele Jahre immer wieder im Fortschrittsbericht der EU über den möglichen Beitrittskandidaten Türkei verzeichnet wurde. Wie ein Mantra stand die Forderung im Zentrum der Beobachtungen zur Religionsfreiheit in dem offiziell laizistischen, aber stark vom Islam geprägten Land.



Die katholische Kirche in der Türkei profitiert dagegen offenbar nicht von der jüngst von der Regierung beschlossenen Rückerstattung enteigneter Immobilien nichtmuslimischer Stiftungen. Die Verordnung vom 27. August betreffe nur Armenier und Griechisch-Orthodoxe sowie Juden, sagte der Sprecher der Türkischen Bischofskonferenz, Rinaldo Marmara, am Dienstag dem italienischen Pressedienst SIR.



Rechtliche Stellung der katholischen Kirche

Der katholischen Kirche fehle die rechtliche Stellung, um ihre Immobilien wiederzuerlangen, so Marmara. Im Gegensatz zu Armeniern und Griechisch-Orthodoxen werde sie vom Gesetz nicht als türkische, sondern als ausländische Rechtsperson betrachtet. Die Türkische Bischofskonferenz werde am 26. September über Möglichkeiten zur Wiedererlangung kirchlichen Immobilienbesitzes beraten, kündigte der Sprecher an.



Skeptisch zu der beschlossenen Rückerstattung äußerten sich auch Vertreter der syrisch-orthodoxen Kirche. So zitiert die in Wien ansässige Stiftung "Pro Oriente" den Bundesvorsitzenden des "Dachverbandes der Aramäer in Deutschland", Daniyel Demir: "Erdogan hat oft bewiesen, dass er ein Staatsmann großer Worte ist, jetzt muss er auch Taten folgen lassen." Es bleibe abzuwarten, ob und wie unbürokratisch die Behörden das neue Dekret in der Praxis umsetzen.



Historischer Schritt zu einer Besserstellung von Christen?

Die türkische Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Rückgabe des seit 1936 eingezogenen Besitzes nichtmuslimischer Stiftungen verfügt. Dies wurde von einigen Kommentatoren als historischer Schritt zu einer Besserstellung von Christen und Juden im Land bewertet.



Derzeit weht ein sanfter Wind des Wandels über einige christliche Stätten in der Türkei. Wie stark und dauerhaft er werden wird, muss sich freilich erst noch erweisen. In der Pauluskirche von Tarsus etwa, in der berühmten Heilig-Kreuz-Kirche der Armenier auf der Insel Aghtamar im Van-See oder im einstigen griechisch-orthodoxen Sümela-Kloster in der Nordtürkei durften zuletzt erstmals seit Jahrzehnten wieder ein Gottesdienst gefeiert werden.



Priesterseminar Chalki seit 1971 geschlossen

Das Priesterseminar Chalki, das auf der Insel Heybeliada/Chalki im Marmarameer vor Istanbul liegt, ist seit 1971 geschlossen. Weil das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel seither keine eigenen Geistlichen mehr ausbilden konnte, wird die personelle Situation der 1.700 Jahre alten Institution, einst ein prägender Faktor im byzantinischen Reich, von Jahr zu Jahr prekärer. Schließlich schreibt der türkische Staat gleichzeitig vor, dass für die eingetragenen Religionsgemeinschaften nur türkische Staatsbürger ein geistliches Amt ausüben dürfen.



Vor einer Woche nun berichtete Patriarch Bartholomaios I. im Marienheiligtum von Souda über eine Begegnung mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Dort habe dieser die Rückgabe des seit 1936 beschlagnahmten Immobilienvermögens der christlichen "frommen Stiftungen" (Vakiflar) angekündigt. Der Patriarch brachte dem Regierungschef seine "Zufriedenheit, sein Glück und seine Dankbarkeit" zum Ausdruck. Er fügte aber auch hinzu, dass die nichtmuslimischen Minderheiten "in Erwartung weiterer bedeutsamer Schritte" seien. Und Erdogan habe darauf geantwortet: "Das ist nur der Anfang."



Wenn die Türkei ein Rechtsstaat sei, müsse alles im Rahmen des Rechts und "nicht der Illegalität" vor sich gehen, unterstrich der Ökumenische Patriarch - und nahm damit indirekt darauf Bezug, dass es nicht um "Begünstigungen" für nichtmuslimische Minderheiten gehe, sondern um die Wiedergutmachung von gravierendem Unrecht.



Für Erdogans neue Haltung mit Blick auf Chalki hatte es Vorzeichen gegeben. Bereits im vergangenen Sommer betonte der stellvertretende Regierungschef Bülent Arinc in Istanbul bei einem Essen mit dem Patriarchen und den Vertretern der christlichen "frommen Stiftungen", in der Türkei solle sich niemand als Bürger zweiter Klasse fühlen. "Sowohl ich persönlich als auch die Regierung sind entschlossen, dass die Ausbildung am orthodoxen Priesterseminar wieder aufgenommen werden soll", so Arinc damals. Zwar habe das Verfassungsgericht den gesetzlichen Rahmen für die Öffnung eng gefasst. Er hoffe dennoch, dass sie im Rahmen der bestehenden Gesetze "ohne große Verzögerungen" verwirklicht werden könne. Nun könnte es bald so weit sein.