Hamburger Erzbischof Thissen zum Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern

"Wir müssen wachsam sein"

Nach Sachsen hat die NPD nun auch in Mecklenburg-Vorpommern den Wiedereinzug in ein Landesparlament geschafft. Genau davor hatten die Kirchen im Vorfeld gewarnt. Im domradio.de-Interview beteuert der Hamburger Erzbischof Werner Thissen, dass das Engagement gegen Rechts andauern wird.

 (DR)

domradio.de: Das Erzbistum Hamburg umfasst auch Teile von Mecklenburg Vorpommern. Der Wiedereinzug der NPD - ist das nun nur ein Wermutstropfen oder ein gefährliches Signal an die politische Kultur in Deutschland?

Erzbischof Werner Thissen: Es macht mir schon große Sorge, dass es uns nicht gelungen ist, die Wählerinnen und Wähler davon zu überzeugen, nicht NPD zu wählen. Es ist zwar so, dass der Anteil an Wählerstimmen bei der NPD zurückgegangen ist - das ist ein gutes Signal -, aber ich hätte mir gewünscht, sie wären nicht im Landtag, denn die NPD macht doch in Mecklenburg Vorpommern sehr viel Furore und versucht, für ihr Gedankengut vor allem jungen Menschen zu begeistern. Und da müssen wir sehr wachsam sein.



domradio.de: Wenn wir genauer auf das Land schauen: Vor allen in den ländlichen Regionen ist ja diese Partei gewählt worden. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Erzbischof Thissen: Es ist nach meinen Beobachtungen so, dass die NPD gerade in ländlichen Gebieten, wo wenig es wenig andere Angebote gibt, ihre Angebote macht, um junge Leute zu begeistern und zu sich zu ziehen.



domradio.de: Die Kirchen haben wie gesagt vor der Wahl vor extremen Parteien gewarnt - trotzdem hat der Wiedereinzug der NPD geklappt, bei sinkender Wahlbeteiligung. Sind die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern demokratiemüde?

Erzbischof Thissen: Nein, das glaube ich nicht, aber wir müssen noch mehr tun, damit die Wachsamkeit für Demokratie sich stärker ausbreitet. Ich würde nun auch nicht mit dem Wiedereinzug der NPD sagen, das sei eine Katastrophe. Eine Katastrophe wäre gewesen, wenn die NPD zugelegt hätte. Das hat sie nicht, im Gegenteil: Sie hat weniger Wählerstimmen. Und wenn sie bei der nächsten Wahl genauso viel Stimmen verliert wie dieses Mal, dann ist sie nicht mehr im Landtag. Also man kann ja jede Zahl von zwei Seiten sehen. Aber es ist ein deutliches Signal: Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg Vorpommern zu noch mehr Wachsamkeit und zu noch mehr Demokratiebereitschaft motivieren. Und das werden wir tun.



domradio.de: Wie wollen Sie das ganz konkret tun?

Erzbischof Thissen: Das geht immer nur durch Gespräche und Diskussionen. Ich finde es sehr gut, dass die Parteien in Mecklenburg Vorpommern, die ja auch die größte Zustimmung bekommen haben, sehr drauf achten. Wir sind mit denen im intensiven Gespräch und machen da vieles gemeinsam.



domradio.de: Jetzt ist ja gerade der Euro in einer sehr, sehr schweren Krise und es ist zu beobachten, dass Rechtspopulisten, wie z.B. Geert Wilders in den Niederlanden, sehr gegen Europa polemisieren. Haben Sie jetzt Sorge, dass das auch in Deutschland passieren könnte, also dass Rechtspopulisten ihr antieuropäisches Süppchen kochen?

Erzbischof Thissen: Ich will nicht sagen, ich hätte keine Sorge, aber ich würde es auch nicht dramatisieren, denn die Argumente der Rechtspopulisten sind für Leute, die nachdenken und die mit anderen im Gespräch sind, doch sehr schnell zu durchschauen.



domradio.de: Sie haben schon die "guten" Angebote der NPD im ländlichen Raum angesprochen, wo versucht wird, den Leuten, den jungen Leuten was zu bieten. Wäre es da möglich, dass die katholische Kirche vielleicht vor Ort noch konkreter auch mit eigenen Angeboten gegen diese "Menschenfänger" vorgeht?

Erzbischof Thissen: Es ist ja nicht so, dass wir das bisher nicht versucht haben. Dass uns das nicht in dem Maße gelungen ist, wie wir das möchten, das ist so und das wird uns zu weiteren Überlegungen, Ideen und Maßnahmen führen müssen.



domradio.de: Sie haben es eben schon gesagt: Wenn man so weiter rechnet, dann fliegt die NPD das nächste Mal vielleicht wieder ’raus. Also sehen Sie keine generelle Gefahr von Rechtspopulismus in Deutschland?

Erzbischof Thissen: Doch! Ich sehe die Gefahr, ich sehe aber nicht, dass wir da nun dramatisch zusammenzucken müssen, sondern wir müssen wachsam sein. Wir müssen den Blick schärfen für rechtspopulistische Agitationen. Und dann bin ich auch sehr zuversichtlich, dass wir damit fertig werden.