Pfarrer Lothar König über seinen Einsatz gegen Rechts

"An den Haaren herbeigezogen"

Lothar König ist Jugendseelsorger in Jena. Im Februar hat er versucht, mit seiner Gemeinde einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden zu blockieren. Nun wirft ihm die Justiz vor, linke Autonome zur Gewalt angestiftet zu haben. Im domradio.de-Interview weist er die Vorwürfe von sich.

 (DR)

domradio.de: Herr Pfarrer König, die sächsische Justiz verdächtigt Sie, Anstifter einer linken Schlägertruppe zu sein, und hat gegen Sie wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Wegen schweren Landfriedensbruchs wird noch immer gegen Sie ermittelt. Hätten Sie vorher gedacht, dass das alles solche Kreise ziehen würde?--
Lothar König: Nein, hätte ich nicht gedacht. Aber ich muss mal eins revidieren: Das hat am 19. nicht angefangen, sondern am 13., als hier traditionell der Tag der Bombardierung der Stadt Dresden begangen wurde. Und da wollten wir an der Gedenkveranstaltung teilnehmen und da wurde nicht nur mir, sondern der gesamten JG der Zutritt zum Heide-Friedhof versagt worden. Im Gegensatz zu den ganzen Nazis, die da anmarschiert sind. Und damit meine ich jetzt nicht NPD-Nazis - die waren auch genügend da -, sondern so richtige, durchtrainierte Schläger. Die konnten ’rein, wir nicht. So fing das dieses Jahr in Dresden an.



domradio.de: Ihnen wird konkret vorgeworfen, am 19. Februar aus einem Lautsprecherwagen heraus zu Gewalt gegen Polizisten angestachelt zu haben. Was sagen Sie dazu? --
König: Die behaupten ja noch mehr: Wir hätten die angestachelt und ich hätte aus dem Lautsprecherwagen heraus aufgerufen, Steine auf Polizisten zu werfen. Wir hätten Straftäter mit dem Lautsprecherwagen der Zuführung entzogen - ich weiß gar nicht, wie die Justiz sich das vorstellt -, wir hätten ein Polizeifahrzeug schwer abgedrängt. Das sind die Vorwürfe, die schriftlich erhoben wurden und nachlesbar sind, die stimmen einfach nicht, die sind richtig an den Haaren herbeigezogen. Das sage ich jetzt in aller Deutlichkeit.



domradio.de: Wie haben Sie das Verhalten der sächsischen Justiz und der Polizei erlebt? --
König: Wissen Sie, das Problem ist doch, dass den Geschehnissen am Sonntag ein Marsch der Nazis am Sonnabend vorausging. Man wusste, oder ich wusste, im Vorfeld - ich vermute der Verfassungsschutz in Sachsen hätte es auch wissen können -, dass da mindestens von den angemeldeten Bussen her 15.000 Gegendemonstranten anreisen würden. Dazu noch ein paar Nazis. Und jeder der schon einmal auf einer Demo war, ob in Gorleben oder Heiligendamm, früher Wackersdorf, der weiß, dass bei einer solchen Zahl von zu erwartenden Demonstranten, Protestierenden etc., so meine Meinung, mindestens 6.000, besser 7.000 Polizisten gebraucht werden, um das gesamte Repertoire an deeskalierenden Maßnahmen usw. zur Anwendungen zu bringen. Es waren nach meiner Kenntnis sage und schreibe nur 4.000 oder 4.500 Polizisten zugange. Die waren von Vorneherein unterbesetzt, dafür gibt es Verantwortliche, dafür gibt es gut bezahlte Leute, die so etwas planen und Hilferufe an die Nachbarländer schicken, damit genügend Polizisten zusammenkommen. Warum sind so wenig Polizisten dagewesen, im Gegensatz zur Woche vorher, als 6.0000 Polizisten bei der Gedenkveranstaltung in Dresden mit ca. 4.000 Teilnehmern, darunter 2.000 Nazis, unterwegs waren. Eine Woche später dann bei, heute sagt man: ungefähr 20.000 Gegendemonstranten, nur 4.000. Die Polizei war von Anfang an überfordert. Wir sind ja mit dem Lautsprecherwagen dabei gewesen, in einem Demonstrationsteil mit Menschen aus NRW, Gewerkschafter, Linke, Autonome, Antifa, ein paar Punks, die wir mit Lautsprecherdurchsagen unterstützt haben, d.h. wir haben unseren Wagen zur Verfügung gestellt. Die Demonstranten versuchten auf die Strecke der Nazis zu kommen bzw. in deren Nähe, und die Polizei konnte von Anfang an gar nichts machen, die haben von Anfang an richtig hart zugeprügelt, Gas eingesetzt, das ganze Repertoire an körperlicher Gewaltanwendung. Das ist auch nach Polizeiregeln nur das letzte Mittel, das die Polizei anwendet und nicht das erste Mittel. So ging das in Dresden schon früh los, richtige harte Einsätze. Ich weiß jetzt nicht, welche Einheit das war, man muss da ja auch unterscheiden: Manche sind so drauf, manche anders. Aber es ging ziemlich hart zur Sache.



domradio.de: Wie blicken Sie in dem Fall in die Zukunft? Was haben Sie daraus gelernt?

König: Ich habe da nichts draus gelernt, Widerstand ist nötig! Ich musste gestern richtig lachen über den Bericht in der SZ. Die Minister usw. lügen ja richtig. Ich rede da erst einmal von Sachsen, zu den anderen will ich mich jetzt noch nicht äußern. Die lügen nachweislich im Landtag. Und da schreibt die Süddeutsche, nach westdeutschen Maßstäben, nicht nur in NRW, sondern auch in Bayern, in der ganzen alten Bundesrepublik, müsste solch ein Minister, der nachweislich vor dem Landtag gelogen hat, seinen Hut nehmen und die politische Verantwortung übernehmen. Aber doch nicht in Dresden.



Das Interview führte Pia Klinkhammer.