Diskussion um Idee "Papst als Ehrenoberhaupt aller Christen"

Wenn es so einfach wäre

Die Debatte um den Vorschlag des evangelischen Theologen Reinhard Frieling hält weiter an: Das katholische Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik zeigt sich skeptisch. "Wenn es denn so einfach umsetzbar wäre", sagt Institutsdirektor Burkhard Neumann – und erklärt im domradio.de-Interview die Probleme.

 (DR)

domradio.de: "Ehrenoberhaupt aller Christen" - ein doch eher ungewöhnlicher Wunsch von evangelischer Seite, oder?

Neumann: Das ist sicherlich ungewöhnlich. Das hängt zum einen damit zusammen, dass eben von evangelischer Seite theologisch lehrmäßig viele Einwände gegen das Papsttum erhoben werden, und dass man sich natürlich auch von der eigenen Identität und dem eigenen Selbstverständnis her eher von der katholischen Lehre absetzt - und speziell von der Überzeugung, dass es einen Papst geben muss. Von daher ist es von evangelischer Seite her ein sehr ungewöhnlicher Denkanstoß, das so deutlich zu formulieren.



domradio.de: Reinhard Frieling begründet seinen Wunsch damit, die Christenheit könne sich so "kräftiger für benachteiligte Menschen einsetzen" und "effektiver für den Frieden zwischen den Völkern kämpfen". Das würde die Einheit und Glaubwürdigkeit der Christen stärken. Teilen Sie diese Ansicht?

Neumann: Grundsätzlich ja. Das würde sicherlich das gemeinsame Zeugnis und die Glaubwürdigkeit stärken - wenn es denn so einfach umsetzbar wäre. Es gibt ja schon innerhalb der Kirchen ganz unterschiedliche Positionen, wenn es dann um die Konkretisierung geht: Friedensethik, Fragen der Gerechtigkeit. Es gibt ja ganz unterschiedliche Akzente zwischen den verschiedenen Regionen der Erde. Und es gibt ja erst recht zwischen den Kirchen - wenn es nicht nur bei allgemeinen Aussagen bleibt, sondern konkreter wird - ganz unterschiedliche Positionen, die sicherlich sehr schwer miteinander zu vermitteln wären. Es gibt zum Beispiel Friedenskirchen, die einen dezidierten Pazifismus vertreten. Wie bringe ich so eine Position zusammen etwa mit einer Situation hier in Deutschland, wo ja die großen Kirchen Militärseelsorge betreiben?



domradio.de: Hans Küng hat schon 1974 vorgeschlagen, dass der Papst auf die "hierarchische Durchsetzung seines gesetzgeberischen Anspruchs" verzichten muss. Kann er das so einfach?

Neumann: Er könnte natürlich sagen - und das wäre sicherlich ein beeindruckendes Zeichen - "Ich verzichte darauf, gewisse Rechte, die mir von meinem Amt her zukommen, auszuüben. Oder nur bestimmten Bedingungen, die mit anderen abgesprochen sind". Das könnte er sicherlich. Nur er würde damit den Anspruch behalten, dass ihm diese Rechte zukommen. Und genau darüber muss man eigentlich theologisch sprechen. Und darüber wird theologisch und kirchenrechtlich diskutiert: wie man diese rechtlichen Vollmachten des Papstes zu verstehen hat, wie sie weitergedacht werden müssen, wie sie eingeordnet werden müssen in eine umfassende Lehre von der Kirche und wie sie dann möglicherweise auch in einer ganz langfristigen Perspektive gesehen tragfähig sein könnten. Es wäre also sicherlich ein Zeichen, auf so etwas zu verzichten. Es würde aber die eigentlichen theologischen Fragen nicht klären, sondern erst recht herausfordern, sie zu lösen.



domradio.de: Wenn es schwierig ist, die theologische Amtsstruktur der katholischen Kirche einfach aufzugeben, was wäre denn dann eine Alternative zu Frielings Vorschlag?

Neumann: Ich würde jetzt das, was ich sage, nicht als Alternative verstehen. Ich denke, dass Reinhard Frieling, der nun wirklich ein gediegener ökumenischer Theologe ist, auch um diese Schwierigkeiten weiß und seinen Vorschlag ein bisschen als Vision oder Provokation versteht. Das eine wäre: Ein Papst als Sprecher der Christenheit ist eine herausfordernde Vision, aber das wäre noch nicht die gewünschte Einheit der Christen, weil das ja auch eine Einheit im Glauben sein muss - in den zentralen Fragen des Glaubens. Und ich bin auch der Überzeugung, dass wir im Augenblick noch gar nicht wissen, wie das Papstamt verstanden als Dienst an der Einheit der Gesamtkirche auszusehen hat. Johannes Paul II. hat ja die Kirchen insgesamt dazu ermutigt, mit ihm gemeinsam einen Weg zu suchen, wie ein solches Papstamt gestaltet werden müsste, ohne das Wesentliche seiner Sendung aufzugeben. Und er hätte diese Frage ja nicht so formuliert, wenn er schon eine Lösung gewusst hätte. Das wäre das Erste und das Wichtigste: dass wir wirklich diese Frage aufnehmen und weiterführen in der katholischen Kirche und mit den anderen Kirchen, dass wir aufeinander hören und voneinander lernen, dass wir auch bereit zu Reformen, die notwendig sind. Das finde ich sehr interessant und ermutigend, dass ja Reinhard Frieling ja für die protestantischen Kirchen spricht und da am Ende seines Beitrags zu entsprechenden Reformen aufruft, was ja umgekehrt auch für die katholische Kirche gelten würde; dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen und die Herausforderung annehmen, die darin liegt, dass das Papsttum versteht als ein Dienst an der weltweiten Einheit der Kirche und damit natürlich für die anderen Kirchen eine ganz große Provokation oder Herausforderung darstellt im positiven Sinne, die wir auch in der Ökumene aufnehmen und angehen sollten.



Das Gespräch führte Susanne Becker-Huberti.



Hintergrund:

Der evangelische Theologe Reinhard Frieling hat sich dafür ausgesprochen, den Papst als Ehrenoberhaupt aller Christen anzuerkennen. "Der Traum von der Gemeinschaft aller Christen kann Wirklichkeit werden, wenn Protestanten und Orthodoxe dem Papst die Rolle eines Ehrenoberhaupts der Christenheit antragen", schreibt er in einem Beitrag für die in Bonn erscheinende ZEIT-Beilage "Christ & Welt" anlässlich des bevorstehenden Deutschland-Besuches von Benedikt XVI.



"Der Papst kann und sollte bei dieser Vision eine charismatische Führungsrolle einnehmen", forderte der frühere Religionsprofessor. In außergewöhnlichen Situationen könne der Papst dann "im Namen der ganzen Christenheit" sprechen. Dies sei mitnichten eine Zumutung für protestantische Christen. "Das Christentum verträte seine Botschaft glaubwürdiger als eine in Tausende Kirchen gespaltene Religion", so Frieling. Das 500. Jubiläum der Reformation im Jahre 2017 sei der richtige Anlass, um diese Vision zu verwirklichen.



Laut Frieling ist Papst Benedikt XVI. wegen seines ökumenischen Engagements schon jetzt ein "Sprecher aller Christen". Allerdings müsste das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche auch Kompromisse machen: "Zugunsten einer neuen Führungsrolle müsste der Papst häufig auf eine hierarchische Durchsetzung seines gesetzgeberischen Anspruchs verzichten, wie Hans Küng schon 1974 vorschlug." Zugleich forderte Frieling die reformatorischen Kirchen auf, ihre "Selbstgenügsamkeit" aufzugeben und "mutig ökumenische Konsequenzen" zu ziehen.



Frieling war langjähriger Leiter des Konfessionskundlichen Instituts der evangelischen Kirche, ist emeritierter Professor für ökumenische Theologie in Marburg und Moderator der "Charta Oecumenica".