Singhammer: PID-Gesetz steht im Widerspruch zu bestehendem Recht

"Nur im schmalen Korridor geltender Gesetze"

Der Bundestag hat am 7. Juli, kurz vor der Sommerpause, ein Gesetz verabschiedet, das die sogenannte Präimplantationsdiagnostik in engen Grenzen billigt. Nach Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden der Unions-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer, steht diese Regelung aber im Widerspruch zu geltendem Recht.

 (DR)

KNA: Herr Singhammer, der Gesetzgeber hat bei der begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik viele Fragen offen gelassen. Zunächst, um welche Form der PID wird es sich überhaupt handeln?

Singhammer: Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs ist die international übliche Methode der PID laut Embryonenschutzgesetz unzulässig. Damit bleibt die sogenannte Blastozystenbiopsie. Sie ist aber weltweit noch in einem eher experimentellen Stadium. Der Gesetzentwurf lässt offen, um welche PID es sich handelt. Das ist nur eine der zahlreichen Unklarheiten bei diesem Gesetz.



KNA: Wo sehen Sie weitere Schwierigkeiten?

Singhammer: Das Hauptproblem liegt in den zahlreichen Wertungswidersprüchen gegenüber anderen Gesetzen. Dazu gehört auch das Embryonenschutzgesetz.



KNA: Dieses Gesetz erlaubt bei der künstlichen Befruchtung nur die Erzeugung von drei Embryonen, die alle der menschlichen Fortpflanzung dienen müssen. Nach Stand der Wissenschaft sind aber mindestens acht nötig, damit eine PID überhaupt erfolgversprechend sein kann. Ist das Gesetz nun hinfällig.

Singhammer: So einfach geht das nicht. Das Embryonenschutzgesetz wurde nach intensiven ethischen Diskussionen in einem sehr langwierigen Gesetzgebungsverfahren beschlossen. Es kann nicht einfach durch ein später zustande gekommenes Gesetz entwertet werden. Es gilt nach wie vor: Die Zahl der Embryonen ist auf drei beschränkt.



KNA: Was aber, wenn dennoch überzählige Embryonen entstehen - wovon die PID-Befürworter offenbar ausgehen?

Singhammer: Auch das ist ungeklärt. Das stimmt übrigens umso verwunderlicher, als sich die monatelange intensive Debatte gerade um den Würdeschutz des Embryos drehte.



KNA: Wie steht es um die im Gesetz vorgesehene Eingrenzung der PID?

Singhammer: Die PID soll künftig bei "schwerwiegenden Erkrankungen" erlaubt sein. Diese allgemeine Festlegung schließt Krankheiten ein, die möglicherweise erst im späten Erwachsenenalter auftreten könnten. Dem widerspricht das zweite Gendiagnostikgesetz. Es verbietet ausdrücklich solche Tests während der Schwangerschaft.



KNA: Kann die im Gesetz vorgesehene Ethikkommission einen Missbrauch verhindern?

Singhammer: In einer so grundlegenden Frage des Lebensschutzes darf es nicht einfach einem Expertengremium überlassen bleiben, welche Grenzen und Ausweitungen zu setzen sind. Der Gesetzgeber muss in dem Rahmen des Beschlossenen das letzte Wort haben. Zudem darf es nicht unterschiedliche Wertungen je nach Ethikkommission geben.



KNA: Ist damit eine PID nach dem Willen der Befürworter überhaupt möglich?

Singhammer: Die PID kann sich nur in einem schmalen Korridor geltender Gesetze bewegen. Wir haben auf die Widersprüche und ungelösten Fragen hingewiesen. Sie treten jetzt bei der Umsetzung offen zutage.



KNA: Sind also weitere Gesetzgebungsverfahren im Zuge der erwünschten PID-Anwendung notwendig?

Singhammer: Das jetzt beschlossene PID-Gesetz darf nur in einem engen Korridor umgesetzt werden, dessen Grenzen durch das Gendiagnostikgesetz, das Embryonenschutzgesetz und das Schwangerschaftskonfliktgesetz abgesteckt werden.



KNA: Würden bei einer entsprechenden Anpassung aber die genannten Gesetze nicht in Teilen hinfällig?

Singhammer: Auf dieses Risiko haben wir hingewiesen. Wenn man Werteentscheidungen aufgibt, die der Gesetzgeber aus gutem Grund in den vergangenen zehn Jahren gefällt hat, darf es nicht zu einem Dominoeffekt kommen.



KNA: Wo liegt der Wertungswiderspruch zum Schwangerschaftskonfliktgesetz?

Singhammer: In ihm kommt der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck, menschliches Leben nicht auszuwählen. Dies findet aber bei der PID statt.



KNA: Wie ist die Finanzierung geregelt?

Singhammer: Es ist derzeit völlig unklar, wer für die Kosten aufkommen soll. Dies ist eine der weiteren Lücken.



KNA: Bundespräsident Christian Wulff muss das Gesetz noch ausfertigen. Dabei hat er die Vereinbarkeit mit den Grundrechten zu prüfen. Könnte das Gesetz an dieser Hürde scheitern?

Singhammer: Ich gehe davon aus, dass der Bundespräsident das Gesetz wie immer sehr sorgfältig prüfen wird.



Das Interview führte Christoph Scholz.