Weltkirchenrat ruft zu Gewaltverzicht in Syrien auf

Diplomatie in Krisenregion

Der Weltkirchenrat hat die Konfliktparteien in Syrien zum Gewaltverzicht aufgerufen. Angesichts der zahlreichen Toten müssten Armee und staatliche Sicherheitsbehörden den rücksichtslosen Einsatz von Gewalt gegen Demonstranten beenden. Im domradio.de-Interview spricht Islamwissenschaftler Guido Steinberg (SWP) über die verfahrene Lage. Das Assad-Regime sei bereit, bis zur letzten Patrone zu kämpfen.

 (DR)

domradio.de: Was muss noch passieren, dass Assad aufhört, mit solcher Gewalt gegen Oppositionelle und Demonstranten vorzugehen?

Steinberg: Wahrscheinlich wird er dazu stürzen müssen. Das Regime hat gegenüber der eigenen Bevölkerung, aber auch  gegenüber anderen Staaten in der Region und auch international ganz deutlich gemacht, dass es bereit ist, bis zur letzten Patrone zu kämpfen. Diese Kämpfe werden tatsächlich erst aufhören, wenn das Regime gestürzt oder aber im Land wieder Ruhe eingekehrt ist.  Es ist nicht zu erwarten, dass das Assad-Regime irgendeiner Verhandlungslösung zustimmt.



domradio.de: Mehrere Länder ziehen Ihre Botschafter ab - zuletzt auch Saudi-Arabien. Hätte es nicht mehr Sinn, in Syrien direkt auf Assad einzuwirken?

Steinberg: Ich glaube tatsächlich, dass es keine Möglichkeit gibt, auf ihn einzuwirken. Das gilt besonders für diejenigen Staaten, die jetzt ihre Botschafter zurückgezogen haben. Das sind Saudi-Arabien, das ist sicherlich der wichtigste Staat, aber auch Kuwait und Bahrain und vorher auch schon Katar. Syrien ist schon seit den 1980er Jahren durch sein Bündnis mit dem Iran, was seit heute Bestand hat, in der arabischen Welt mehr oder weniger isoliert. So dass auch diese Maßnahmen keine Auswirkungen haben werden. Es gibt keine Möglichkeit für diese Staaten über ihre Botschafter in Damaskus tatsächlich auf das Regime einzuwirken. Da ist der türkische Vermittlungsversuch schon etwas zielgerichteter, weil vor allem die Wirtschaftsbeziehungen zur Türkei in den letzten Jahren enorm ausgeweitet worden sind. Aber auch den Türken hat Assad sehr deutlich gemacht, dass er nichts von ihren Versuchen der Vermittlung hält.



domradio.de:  Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat vor kurzem deutlich gemacht, dass die Türkei bald ihre Geduld verlieren werde, drohte er. Was passiert, wenn die Türkei wirklich ihre Geduld verliert?

Steinberg: Der türkische Ministerpräsident ist sehr impulsiv und sagt oft Dinge, die er ganz offensichtlich nicht gut überlegt hat. Die Türkei profitiert enorm von den verbesserten Wirtschaftsbeziehungen mit Syrien. Es ist durchaus zu erwarten, dass es da Beeinträchtigungen gibt. Die Türkei hat aber auch keine Möglichkeiten, auf Syrien stärker einzuwirken. Die Zeiten da die Türkei mit Panzern an der syrischen Grenze stand, weil sich PKK-Chef Öcalan in Damaskus aufhielt, sind lange vorbei. Das war in den 1990er Jahren. Es ist heute nicht zu erwarten, dass die Türkei, außer dass sie sich internationalen Sanktionen anschließt, da aktiv werden könnte, vor allem weil ihre eigenen Interessen noch nicht direkt beeinflusst sind.  Das könnte sich allerdings in dem Moment ändern, indem auch die kurdischen Landesteile in Syrien sich diesen Unruhen anschließen, die Gewalt dort überspringt. Dann könnten wir auch damit rechnen, dass die Türkei etwas konkretere Maßnahmen ergreifen wird.



domradio.de: Was haben denn die Mitglieder des Sicherheitsrates noch für Möglichkeiten, um auf Assad einzuwirken?

Steinberg: Nun der Sicherheitsrat ist weitgehend blockiert. Da sind in erster Linie die Chinesen, aber auch die Russen, die keine weitergehenden Schritte wünschen. Es ist im Moment so, dass die Amerikaner vor allem auf die Europäer einwirken unilaterale Sanktionen gegenüber Syrien zu ergreifen, die möglicherweise den Öl- und Gassektor betreffen. Da Syrien sehr viel Öl und Gas nach Europa exportiert, wäre das tatsächlich ein probates Mittel. Allerdings, so lange China und Russland nicht tatsächlich voll hinter einer möglichen Resolution stehen, ist da nicht zu erwarten, dass tatsächlich eine Änderung eintritt.