Sorge um Ausweitung der Hungersnot

2,2 Millionen Somalier sind weiter von Hilfsaktionen abgeschnitten

Die Hungerkrise im Osten Afrikas spitzt sich weiter zu. Täglich kommen mehr als 1.300 Menschen in das weltgrößte Flüchtlingslager Dadaab in Kenia. Die meisten von ihnen stammen aus Somalia. Auch in Äthiopien verstärken Hilfsorganisationen ihre Unterstützung.

 (DR)

"Alle Welt blickt nach Somalia, doch auch hier geht es den Menschen nach dem Ausfall von zwei Regenzeiten sehr schlecht", so Ursula Langkamp von der Welthungerhilfe vor Ort. "Es hat ein Massensterben von Vieh eingesetzt, die Herden sind um rund 50 Prozent reduziert, die Weiden sind übersät mit Kadavern." Langkamp ist Regionalkoordinatorin der Welthungerhilfe in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.



Welthungerhilfe: Für Nomaden ist das Viehsterben eine Katastrophe

"Für die nomadische Bevölkerung ist das eine Katastrophe. Die verbleibenden Tiere sind nur noch Haut und Knochen und bringen nichts mehr ein. So haben die Menschen kein Geld, um sich Nahrungsmittel zu kaufen. Gleichzeitig explodieren die Preise für Nahrungsmittel, sie sind bis zu 80 Prozent teurer geworden - die Menschen hungern."



"Die Krise wird sich bis zur Ernte im November weiter verschärfen", befürchtet Langkamp



Zugang zu Betroffenen in Somalia weiter schwierig

Die Lage in den von Islamisten kontrollierten Hungergebieten Südsomalias ist nach Angaben des Welternährungsprogramms (WFP) weiter unübersichtlich. "Hilfe ist teilweise möglich, aber der Zugang zu den Betroffenen ist immer noch sehr, sehr schwer", sagte WFP-Sprecherin Katharina Weltecke am Donnerstag.



Rund 2,2 Millionen Notleidende seien immer noch von Hilfe abgeschnitten. Dass das UN-Frühwarnsystem drei weitere Gebiete in Südsomalia, die Region Mogadischu, Balcad and Cadale, zu Hunger-Notstandsgebieten erklärt hat, zeigt laut Weltecke, "dass der Zugang für humanitäre Helfer immer dringlicher wird".



Damit sind es fünf Regionen in Südsomalia, in denen die Hunger- und Sterblichkeitsraten alarmierende Ausmaße angenommen haben. Ein Hunger-Notstand wird erklärt, wenn zwei von 10.000 Erwachsenen sterben, oder vier von 10.000 Kindern.



Verhandlungen mit islamistischer Miliz dauern an

Die Verhandlungen mit der islamistischen Miliz Al Schabaab und anderen bewaffneten Gruppen über einen Zugang zu den Dürregebieten dauern laut Weltecke an: "Das ist tatsächlich noch offen." Die Offensive der internationalen Eingreiftruppe der Afrikanischen Union gegen die Islamisten in Mogadischu in den vergangenen Tagen habe die Lage nicht einfacher gemacht. "Das Eingreifen der Afrikanischen Union ist problematisch gewesen", sagte Weltecke.



40.400 Neuankünfte im weltgrößten Flüchtlingslager Dadaab

Das derzeit weltgrößte Flüchtlingslager Dadaab in Kenia hat laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) im Juli 40.400 Neuankünfte verzeichnet. Dies sei die höchste Zahl in einem Monat während der 20-jährigen Geschichte des Lagers, teilte die Organisation am Mittwoch in Genf mit. Täglich erreichten etwa 1.300 weitere Flüchtlinge Dadaab. Nur jeder Fünfte der neu Ankommenden sei über 18 Jahre alt.



Nach einer Massenuntersuchung seien die Flüchtlingskinder extrem unterernährt, so das Hilfswerk. Etwa ein Drittel der Kinder unter fünf Jahren litten an allgemeiner Unterernährung. Etwa sieben Prozent seien ernsthaft gefährdet. Gleichzeitig steige die Sterberate der Kinder in Dadaab: Derzeit erlägen pro Monat bis zu zwei von 1.000 Kindern den Folgen des Hungers.



Die Hungerkatastrophe in Somalia und die anhaltenden Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen zwangen laut Angaben des UNHCR bislang 860.000 Somalier zur Flucht in Nachbarländer. Über 90 Prozent der Flüchtlinge halten sich demnach in Kenia, dem Jemen, Äthiopien und Dschibuti auf. In das westlich angrenzende Kenia sind laut UNHCR 477.000 Somalier geflohen; der Jemen hat 191.000 Flüchtlinge aufgenommen, das nordwestlich gelegene Äthiopien 158.000 und der flächenkleinste Nachbarstaat Dschibuti 17.000.



UN rufen zu weiteren Spenden auf

Die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen warnten vor einer Ausbreitung der Hungersnot in Ostafrika. Ohne Soforthilfen im Umfang von 1,4 Milliarden US-Dollar (976 Millionen Euro) werde sich die Hungersnot auf weitere fünf bis sechs Regionen Afrikas ausweiten, sagte die Nothilfe-Koordinatorin der Vereinten Nationen, Valerie Amos, zu Beginn der Woche in New York.



Bislang sei rund eine Milliarde US-Dollar (700 Millionen Euro), zur Verfügung gestellt worden. "Das ist nicht genug", sagte Amos. Hilfsorganisationen bräuchten sofort zusätzliches Geld, um auf die sich verschärfende Krise in der Region reagieren zu können.



Bauernverband weist Mitschuld der EU-Agrarpolitik an Krise zurück

Unterdessen wies der Deutsche Bauernverband (DBV) eine Mitschuld der EU-Agrarpolitik an der Hungerkatastrophe in Afrika zurück. Neben der Trockenheit verschärften die politisch instabilen Verhältnisse die Not, sagte der DBV-Experte für internationale Angelegenheiten und Welternährung, Willi Kampmann, in Berlin. Die derzeitige Trockenheit hätte weniger dramatische Auswirkungen, "wenn im Land politisch stabile und weitgehend korruptionsfreie Verhältnisse" herrschten.