Bundeswehr fehlt laut Grünen eine Kultur der Freiwilligkeit

Und Tschüss!

Die hohe Abbruchquote unter den neuen Bundeswehrfreiwilligen gibt laut den Grünen Anlass zur Sorge. "Wenn ich mir anschaue, wie die Bundeswehr um Nachwuchs wirbt, mache ich mir schon Sorgen, dass hier sehr falsche Erwartungen geweckt werden", sagt Agnes Malczak, Sprecherin für Abrüstungspolitik der Grünen im Bundestag im domradio.de-Interview. Wie im sozialen Bereich gelte es aber auch bei der Rekrutierung von Freiwilligen für den Wehrdienst, die Voraussetzungen für das Engagement junger Menschen in der Gesellschaft zu verändern.

 (DR)

domradio.de: Was denken Sie, woran liegt es, dass die Abbruchquote so hoch ist?

Agnes Malczak: Ich bin noch nicht ganz alarmiert durch die Zahlen. Jedenfalls noch nicht so weit, dass ich sagen würde, dass der Freiwilligendienst schon gescheitert ist. Sie geben Anlass zur Sorge und ich glaube, es gilt ganz genau hinzuschauen, warum junge Menschen den Dienst bei der Bundeswehr quittieren. Ich glaube schon, dass durch diese überhastete Einführung der Aussetzung des Wehrdienstes die Bundeswehr nicht genügend Zeit hatte, sich auf eine Kultur der Freiwilligkeit einzustellen und gleichzeitig, wenn ich mir anschaue, wie die Bundeswehr um Nachwuchs wirbt, mache ich mir schon Sorgen, dass hier sehr falsche Erwartungen geweckt werden, die dann wieder enttäuscht werden. Ich glaube hier muss man dringend nacharbeiten und schauen, was sind Gründe, warum junge Menschen wieder die Bundeswehr verlassen und nicht so handeln, wie es das Bundesverteidigungsministerium nach seiner Devise tut: Es ist ein Problem da. Wir behaupten erst einmal es gibt keines.



domradio.de: Die Bundeswehr wirbt mit einer modernen Ausbildung, guten Berufschancen und kritikfähigen Ausbildern. Die Realität der sogenannten inneren Führung in der Kaserne sieht oft anders aus, oder?

Agnes Malczak: Es gibt immer wieder negative Berichte. Es gibt auch immer wieder Skandale gerade unter dem Stichwort "Innere Führung". Es gibt aber auch gleichzeitig viele gute Beispiele und deshalb gilt es wirklich, sich im Rahmen der Bundeswehrreform mit der inneren Führung verstärkt auseinanderzusetzen, sich die Frage zu stellen, wie verändern die Einsätze die Bundeswehr auch als Ganzes, aber auch die einzelnen Soldaten und Soldatinnen? Was heißt das für die innere Führung? Muss man nicht noch genauer hinschauen, muss sie nicht vielleicht modernisiert oder angepasst werden? Das ist eine Debatte, die mir im Rahmen der Bundeswehrreform viel zu kurz kommt.



domradio.de: Wie sieht Ihrer Meinung nach eine angemessene und zeitgemäße Ausbildung in einer europäischen Armee aus?

Agnes Malczak: Dazu gehören viele Punkte und dazu gehört eben auch, dass man sich noch einmal klar macht - und das war eben auch der Grund für die Aussetzung der Wehrpflicht - dass eben die Einsatzrealität nicht mehr aus der Zeit des kalten Krieges stammt, sondern dass man in multinationalen Einsätzen versucht, einen Beitrag für Frieden und Stabilität zu leisten,  dass es auf Sprachkenntnisse ankommt, dass es auf kulturelle Kenntnisse ankommt, dass man eine menschenrechtliche Bildung braucht. Das sind sehr hochkomplexe Anforderungen und deshalb ist es auch sehr wichtig, dass bei der Bundeswehr Menschen sind, die wir uns dort wünschen und die diesen Anforderungen auch gerecht werden.



domradio.de: Obwohl die Bundeswehr für den Freiwilligendienst einen deutlich höheren Sold bietet, als noch zu Zeiten der Wehrpflicht, so scheint dieser Beruf für viele besser qualifizierte Abiturienten oftmals unattraktiver zu sein als ein freies Studium oder ein duales Studium in der Wirtschaft. Wird die Bundeswehr dadurch zur "Unterschichtenarmee", wie manche befürchten?

Agnes Malczak: Wenn man sich die Bewerberzahlen sowohl beim freiwilligen Wehrdienst aber auch im Bereich der Berufs- und Zeitsoldaten anschaut, dann sind wir noch weit davon entfernt eine Unterschichtenarmee zu haben. Ich sehe noch keine sehr großen Probleme bei der Nachwuchsgewinnung, aber es gibt trotzdem keinen Grund zur Entwarnung, sondern es wird auf die Bundeswehrreform ankommen. Es wird darauf ankommen, was wird sich im Bereich Attraktivität tun, im Bereich Aus- und Weiterbildung, was bietet man jungen Menschen, die zur Bundeswehr kommen und dann wird sich entscheiden, ob noch genügend junge Menschen kommen und ob es dann die sind, die man sich dort wünscht. Ich glaube, es gibt noch ganz viele Baustellen, wo man weiterarbeiten muss. Generell gilt sowohl für den Dienst bei der Bundeswehr aber auch für die vielen Freiwilligendienste im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie man so ein Engagement von jungen Menschen auch in der Gesellschaft besser anerkennen kann oder wie man das zum Beispiel über eine Anrechnung bei Wartesemestern unterstützen kann und nicht dieser Logik zu folgen: Möglichst schnell fertig sein. Ich glaube, dass viele junge Menschen sich engagieren wollen,  aber häufig den Druck haben, möglichst schnell eben eine Ausbildung oder ein Studium zu beginnen und dann auch abzuschließen und dabei geht eben vieles verloren.