Hilfswerk-Experte zur Spendenpraxis in der katholischen Kirche

"Wir sind in der Stunde der Katastrophe"

Die Hungersnot am Horn von Afrika nimmt immer größere Ausmaße an. Nach einem verhaltenen Beginn läuft die Spendenbereitschaft aber mittlerweile gut. Im domradio.de-Interview zu aktuellen Fragen aus der Spendenpraxis: Michael Sommer, Experte für entwicklungspolitische Fragen und Direktor der Bank im Bistum Essen.

 (DR)

domradio.de: Für wie sinnvoll würden Sie ein einheitliches Spendenbündnis aller Hilfsorganisationen halten?

Sommer: Das ist Theorie und Praxis. In der Theorie scheint es sehr sinnvoll zu sein, dass alle zusammenarbeiten, man nur eine einheitliche Verwaltung hat und ähnliches. In der Praxis müssen wir aber auch einfach sehen, dass wir gerade auch im katholischen Bereich eine große Vielfalt von Spendenhilfswerken haben mit je unterschiedlicher Identität und auch unterschiedlichen Aufgaben. Da haben wir die Katastrophenhilfe, da haben wir die eher pastoral ausgerichteten Hilfswerke, da haben wir die eher die entwicklungspolitisch-sozial ausgerichteten Hilfswerke. Und das ist nicht so einfach, die zusammenzuwerfen. Mal ganz davon abgesehen, dass das dann auch zu anderen Problemstellungen führen würde in der Projektabwicklung, in Fragen der zweckgerichteten Verwendung von Geldern und ähnlichem.  



domradio.de: Kommen wir mal zu der aktuellen Situation in Afrika. Da gibt es ja auch Diskussionen darüber, ob und wie Spenden überhaupt Sinn machen, wenn etwa Spendengelder woanders eingesackt werden und für Rüstung usw. verwendet werden könnten und ähnliches. Was meinen Sie dazu?

Sommer: Zunächst einmal ganz klar und ohne Wenn und Aber: Wir haben es hier mit einer humanitären Katastrophe zu tun und ich halte es als Christ, als Katholik für selbstverständlich, dass wir dort humanitäre Hilfe leisten. Wir sind in der Stunde der Katastrophe. Da sind Spenden notwendig, da sind Spenden richtig und zwar an die für Katastrophenhilfe speziell ausgerichteten und entsprechend professionell arbeitenden Hilfsorganisationen, die ja zum Teil auch sehr eng zusammenarbeiten, wenn ich an die Caritas, an die Diakonie denke zum Beispiel.



Aber wir müssen sehen, dass es unterschiedliche Formen der Hilfe gibt. Das ist die Hilfe in der ersten Stunde und das ist dann aber die überaus wichtige und notwendige Hilfe auf Sicht gesehen, die nachhaltig etwas in den Regionen verbessert und verändert und gerade auch in der aktuellen Katastrophe sehen wir, dass es eine durchaus auch von Menschen gemachte Katastrophe ist. Und da ist es Aufgabe von Hilfswerken, sich stützend auf die eigenen Potentiale der Menschen, denen eine langfristige Perspektive zu geben. Das ist richtig, das ist notwendig. Und wenn man sich entsprechend informiert, findet man auch die Hilfswerke, die dort eine sinnvolle, eine notwendige und eine korrekte Arbeit leisten.



domradio.de: Wäre da nicht ein einheitliches Spendenbündnis doch ein Weg, um mehr Übersicht zu bekommen für den normalen Menschen, der sich nicht so gut mit Hilfswerken auskennt?

Sommer: Also richtig ist natürlich, dass es immer wieder zu Situationen kommt, wo man feststellt, in Ländern der Dritten Welt, da treten sich die Hilfswerke gegenseitig auf die Füße, oder die Entwicklungseinrichtungen. Ich selber habe häufig während meiner Reisen in Lateinamerika, in Afrika, in Südostasien kennengelernt. Das kann nicht der Sinn der Sache sein.



Es ist richtigerweise auch so, dass auch im kirchlichen Bereich eine gute Koordinierung und eine gute Zusammenarbeit zwischen den Hilfswerken gibt. Allerdings: Es sind ja nicht alle Hilfswerke gleichermaßen überall unterwegs. So dass man ganz einfach sagen muss, dass in einer Katastrophe in Afrika der Schwerpunkt bei anderen Hilfswerken liegt als z.B. bei einer Katastrophe in Lateinamerika oder in Osteuropa. Wir haben - und ich halte das für einen Reichtum in der katholischen Kirche - eine Vielzahl von sehr spezialisierten Hilfswerken, die dort helfen, wo es jeweils zu ihrem Auftrag passt und wenn es mehrere sind, die z. B. im sozialen wie im pastoralen Bereich unterwegs sind ist natürlich eine Koordinierung und Abstimmung erforderlich.