Einzelhandel wehrt sich gegen Kirchenklage um Sonntagsöffnung

"Kann denn Einkaufen Sünde sein?"

Im Streit um die erweiterte Sonntagsladenöffnung in Schleswig-Holstein stützt der Deutsche Gewerkschaftsbund die Position der Kirchen, die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage auf 36 zu reduzieren. Doch Einzelhandel, Tourismus und Gastronomie laufen dagegen Sturm. Eine Reportage von Sabine Kleyboldt.

Dr. Guido Schlimbach / © privat (privat)
Dr. Guido Schlimbach / © privat ( privat )

"Wir sitzen heute hier zusammen, um Schaden von Arbeitnehmern, Wirtschaft und der ganzen Region abzuwenden." Vom Pathos her passten Heinz Meyers Worte fast ins benachbarte Trauzimmer des Alten Rathauses in Timmendorfer Strand. Doch spricht der Vorsitzende der Aktivgruppe Handel und Gewerbe des Ostseebades aus keinem freudigen Anlass: Einzelhandel, Tourismus und Gastronomie in der Lübecker Bucht sehen durch die Klage der Kirchen gegen die ausgedehnten Sonntagsöffnungen im Handel ihre Existenz bedroht. Sollte die Klage Erfolg haben, könnten bis zu 10.000 Jobs wegfallen, so die Initiatoren.

"Leider Gottes haben die Kirchen Klage eingereicht gegen die Bäderregelung", beklagt Meyer. Dies sei Vertragsbruch, schließlich habe die Regelung eine Laufzeit bis 2013, empört sich der 61-jährige Geschäftsmann. Ab 2013 könne man gerne neu diskutieren, aber bitte ohne Gericht. "Warum mischen sich die Kirchen überhaupt ein?", so der Tenor unter den rund 20 anwesenden Funktionären. Gut 50 Prozent der Schleswig-Holsteiner sind evangelisch, der Katholikenanteil liegt bei unter zehn Prozent.

Ladenöffnung an bis zu 45 Sonntagen im Jahr
Hintergrund: Im Juli hatten die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche und das Erzbistum Hamburg angekündigt, einen seit zwei Jahren ruhenden Normenkontrollantrag um die Bäderverordnung im nördlichsten Bundesland zu aktivieren. Durch die mögliche Ladenöffnung an bis zu 45 Sonntagen im Jahr sei die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Regel-Ausnahmesituation nicht gewahrt, so die Kirchen. Nach rund zwei Jahre dauernden Gesprächen mit Wirtschaft und Landesregierung soll nun das Oberverwaltungsgericht Schleswig die Verfassungskonformität der Bäderregelung prüfen. Die Kirchen sind für eine moderate Sonntagsöffnung und schlagen vor, diese zwischen März und Oktober an insgesamt 32 Sonntagen plus vier weiteren Sonntagen zu gestatten.

Seither stehen die Zeichen an der Lübecker Bucht auf Sturm, glaubt man Meyer und seinen Mitstreitern. "Kann Einkaufen Sünde sein?" prangt auf einem Flugblatt, neben dem Schriftzug eine Dame mit einer Einkaufstüte mit dem Konterfei des Teufels. Auch wenn die Gewerbetreibenden Unterstützung von einigen Pastoren erfahren - nicht alle Kirchenmitglieder unter den Einzelhändlern begeistert diese Art von Werbung, ist zu hören. Aber: Allein in Timmendorfer Strand seien in nur zwei Tagen 300 Unterschriften gegen die Klage gesammelt worden, freut sich Meyer. Dass der Satz "Insbesondere die verkaufsoffenen Sonntage sollen wegfallen!" die Absicht der Kirchen zumindest deutlich verkürzt wiedergibt, hält Juwelier Mike Lindner für eine zulässige "plakative Zuspitzung". Die Region habe doch nur den Tourismus, gibt Lindner zu bedenken. Gerade sei der Motor angesprungen, ob die Kirchen den jetzt wieder abwürgen wollten, fragt der Geschäftsmann.

Die Kirchenbasis beurteilt die Bäderregelung uneinheitlich
"Ihre Argumente sind stark und gut", bemüht sich der stellvertretende Pressesprecher der Nordelbischen Kirche, Matthias Benckert, um eine Gesprächsbasis. Ebenso wie die Leiterin des Katholischen Büros Schleswig-Holstein, Beate Bäumer, ist er als "Beobachter" zur Pressekonferenz gekommen. "Die Kirchenbasis beurteilt die Bäderregelung uneinheitlich", räumt er ein. In manchen Orten kauften nur noch die Einheimischen sonntags ein, sei aus den Gemeinden zu hören. Andernorts hätten sonntags die Baumärkte offen, was mit touristischem Warenangebot nichts zu tun habe. "Wir haben uns zwei Jahre lang von Pontius nach Pilatus geredet, ohne dass Zahlen vorgelegt wurden", ergänzt Bäumer. "Jetzt werden uns diese Vorwürfe gemacht." Worauf Meyer kritisiert, mit ihm habe nie jemand gesprochen. - Der Informationsfluss sei offenbar auch im Handel nicht immer gut, gesteht nun wieder Mike Lindner ein.

Der Protest an der Ostsee geht weiter: Unterschriftensammlung, Symposium zum Thema sowie ein Sternmarsch zu den Bischofssitzen, zählt Meyer auf. "Wir erwarten, dass sich die Kirchenoberen noch mal mit dem Thema beschäftigen, um den sozialen Frieden wiederherzustellen." Die Kirchen sind weiterhin ausdrücklich gesprächsbereit, sehen jedoch keine neue Sachlage.