Kirche weist Kubickis Forderungen im Streit um Bäderregelung zurück

Ein politischer Wadenbeißer

Mit seiner Forderung nach Kirchenaustritten stößt der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki auf Widerspruch. Im domradio.de-Interview ist sich Beate Bäumer vom Katholischen Büro in Kiel sicher, dass "ein aufgeklärter und normal denkender Christ sich von Herrn Kubicki nicht zum Kirchenaustritt" bewegen lasse. Kubicki hatte sich über den Widerstand der Kirchen gegen die erweiterten Sonntagsöffnungen im Handel erregt.

 (DR)

domradio.de: Wie ordnen Sie die ungewöhnlich scharfe Wortmeldung des FDP-Fraktionschefs Wolfgang Kubicki ein?

Bäumer: Wenn man in Schleswig-Holstein lebt und arbeitet, weiß man, dass Herr Kubicki so ein bisschen auch ein politischer Wadenbeißer ist, der weiß, wann er Kritik und bestimmte Bemerkungen platzieren muss, er tut das auch mit einer gebührenden Schärfe. Insofern sehe ich das erst einmal gelassen. Andererseits spricht er natürlich ein sehr sensibles Thema in Schleswig-Holstein an, diese Bäderverordnung ist sehr emotional besetzt. Es wird sehr stark geschossen an einigen Stellen, das Thema wird nun wieder hochgekocht.



domradio.de: Die Tatsache, dass die Kirchen am Sonntag leer seien, habe nichts damit zu tun, dass die Menschen Sonntag einkaufen könnten, argumentiert Kubicki. Warum wollen die evangelische und die katholische Kirche den die bestehende Regelung überhaupt einschränken?

Bäumer: Das ist ja ein althergebrachtes Argument. Dabei sind unsere Kirchen gerade in den Tourismusorten in den Sommermonaten gar nicht leer! Sie sind gut gefüllt, weil viele Menschen dann mit Zeit und Muße in die Kirche gehen. Darum geht es uns in erster Linie aber auch gar nicht. Natürlich hat jeder gerne volle Kirchen, aber uns geht es darum, dass der Sonntag sich in seinem öffentlichen Erscheinungsbild von den Werktagen unterscheidet. Und dazu trägt eben auch ein Bild eines Ortes bei, ob da alles auf ist und viel Trubel herrscht. Wir haben Städte wie Eckernförde, da haben Sie am Sonntag mehr Verkehr als an den Werktagen, weil nämlich die Baumärkte alle aufgemacht haben. Da ist Highlife und das stört die Anwohner und die Kirchen sehr.



domradio.de: Wie ist denn die Grundstimmung bei den Geschäftsleuten in den betroffenen Orten, die ihre Läden zurzeit an den Sonntagen geöffnet haben?

Bäumer: Laut getrommelt wird natürlich von denen, die kein Verständnis für unser Anliegen haben, da gibt es Unterschriften- und Plakataktionen, es gibt so einige ganz aktive Kommunen, die sehr laut schreien. Wir wissen aber auch aus Gesprächen mit Geschäftsleuten, das viele sagen, ich bin euch eigentlich ganz dankbar dafür, dass ihr klagt und dass ihr euch für den Sonntagsschutz einsetzt, weil wir können nicht mehr. Viele kleine Geschäfte sind Familienbetriebe, da stehen die Leute sieben Tage in der Woche hinterm Ladentisch und trauen sich nicht, ihr Geschäft zu schließen, weil alle in der Straße aufmachen und sie nicht die einzigen sein wollen, die zu haben. Insofern glaube ich: hinter vorgehaltener Hand haben wir mehr Zustimmung, als Herr Kubicki glaubt.



domradio.de: Herr Kubicki hat ja dazu aufgerufen, aus der Kirche auszutreten, ruft nun die Kirche dazu auf, dass FDP-Mitglieder ihre Partei verlassen?

Bäumer: Das hat der SPD-Vizechef im Land ja schon gemacht und dazu aufgerufen, Christen sollten aus der FDP austreten. Ich will das gar nicht weiter kommentieren, weil ich es wie gesagt für eine kleine Wadenbeißerei halte. Ich glaube auch nicht, dass ein aufgeklärter und normal denkender Christ sich von Herrn Kubicki zum Kirchenaustritt bewegen lässt, da kommen doch ein paar mehr Gründe dazu. Im Übrigen liegen bis heute wirklich keine verlässlichen Zahlen vor, dass hier Arbeitsplätze gefährdet werden. Da wird Angstmacherei betrieben. Die Gewerkschaften sagen, dass der Arbeitsplatzabbau immer mit langfristigen Gründen zu tun hat und selten mit einem Tag, der mehr oder weniger geöffnet ist. Ich glaube, Katholiken und Protestanten wissen sehr wohl , wie sie diese Angstmacherei einzusortieren haben. Herr Kubicki ist im Land ja auch nicht ganz unumstritten.



domradio.de: Gehen Sie sonntags einkaufen?

Bäumer: Ich kaufe bewusst Sonntags nicht ein.



Hintergrund: In der Debatte um die Bäderregelung in Schleswig-Holstein hatte der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki die evangelische und die katholische Kirche kritisiert. Mit ihrer Klage gefährdeten sie die wirtschaftliche Existenz der Bewohner in den betroffenen Orten, sagte Kubicki am Sonntag dem NDR. Selbst viele Gemeinden in den Urlaubsorten seien mit dem Vorgehen ihrer Kirchenleitung nicht einverstanden. "Doch offenbar ist die Selbstbefriedigung einiger Kirchenfunktionäre wichtiger als die Frage, was Menschen in Schleswig-Holstein dient." Wenn das Vorgehen der Kirche Erfolg hätte, dann wäre die wirtschaftliche Existenz einer Reihe von Menschen in Touristikregionen bedroht. Mehr noch: Auch als gläubige Christen müssten diese Menschen ernsthaft darüber nachdenken, "einer Vereinigung nicht mehr anzugehören, die einen in der eigenen Existenz ruiniert", sagte Kubicki weiter.



Der Schleswiger Bischofsbevollmächtigte Gothart Magaard verteidigte dagegen das Vorgehen seiner Kirche. Mit der jetzigen Regelung verliere der Sonntag seinen speziellen Charakter als Tag der "Entschleunigung und Begegnung". Der Sonntag habe seine besondere Bedeutung nicht nur für die Kirchen, sondern auch für Familien, Freundschaften und Vereine.

Hintergrund: Die Kirchen und die Bäderregelung

Interview: Mathias Peter