Debatte über schärfere Überwachung rechtsextremistischer Seiten

Mehr Druck auf Neonazis im Netz

Nach den Anschlägen in Norwegen werden Rufe nach einem schärferen Vorgehen gegen Neonazis laut. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles verlangte am Dienstag den Einsatz von mehr Polizeibeamten, um die rechtsextremistische Szene im Internet zu beobachten. Zudem müssten Voraussetzungen für ein NPD-Verbot geschaffen werden, sagte sie der "Rhein-Zeitung". Auch die Grünen und Migrantenverbände fordern mehr Engagement gegen Rechts.

 (DR)

Der Vizechef der Europäischen Christdemokraten im Europaparlament, Manfred Weber, sprach sich für eine europäische Offensive gegen politische Extremisten im Internet aus. "Extremistische Webseiten müssen europaweit gebannt werden", sagte der CSU-Politiker der "Rheinischen Post". Bisher gebe es nur Verabredungen zwischen den EU-Staaten in Bezug auf islamistische Internetseiten.



Präventionsgipfel gefordert

Migrantenverbände riefen die Bundesregierung zum Handeln auf. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) solle einen "Präventionsgipfel zum Thema Islamophobie" einberufen, schlug der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, im dapd-Interview vor. Notwendig sei auch ein NPD-Verbot. Der Vorsitzende des Islamrats für die Bundesrepublik, Ali Kizilkaya, mahnte einen verstärkten Abbau von Vorurteilen gegenüber Muslimen an, um der Fremdenfeindlichkeit zu begegnen. Leider habe die Islamkonferenz der Regierung "keinen Beitrag zu einem besseren Zusammenleben geleistet, da sie zu einer Sicherheitskonferenz verkommen ist", sagte er dapd.



Am Freitag waren bei einem Anschlag im Regierungsviertel Oslos acht Menschen ums Leben gekommen. Anschließend erschoss der Attentäter auf der Insel Utöya 68 Menschen. Der 32-jährige Anders Behring Breivik hat inzwischen gestanden. Im Internet veröffentlichte er kurz vor der Tat ein 1.518-seitiges rassistisches Manifest.



Polizei mahnt zu Wachsamkeit

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) rief Internetnutzer zur Mithilfe auf, um solche Attentate künftig zu verhindern. "Wichtig ist, dass wir bei solchen Dingen alle wachsamer werden", sagte Gewerkschaftschef Bernhard Witthaut der dapd. Der mutmaßliche Attentäter habe sich über Jahre im Netz bewegt und dort viele Spuren hinterlassen. Er appellierte an Nutzer von Blogs und Internetforen, "eher zum Hörer zu greifen und die Polizei zu informieren", wenn jemand mit extremistischen Parolen auffalle. Dass nach den Anschlägen von Norwegen aus der CSU direkt die Forderung nach der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung komme, kritisierte Witthaut aber als unangebracht.



Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) lehnte eine neue Sicherheitsdebatte indes ab. Es sei falsch, dieses "schreckliche Verbrechen mit politischen Forderungen und Diskussionen zu relativieren", kritisierte der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt "Handelsblatt Online". Die "Forschheit und Lautstärke", in der über Konsequenzen aus den Ereignissen in Norwegen diskutiert werde, sei "völlig unangemessen".



Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth wies den Vorstoß aus der CSU zur Vorratsdatenspeicherung in der "Frankfurter Rundschau" zurück. Die Forderungen seien "zynisch" vor dem Hintergrund, "dass die Bundesregierung die Mittel gegen Rechts gekürzt und eine unsinnige Extremismusklausel eingeführt hat", sagte sie und verwies darauf, dass Familien- und Jugendministerin Kristina Schröder (CDU) Fördermittel für Initiativen gegen Rechtsextremismus neu verteilt und von einem Schwur auf die Verfassung abhängig gemacht hatte.



Jugendschutz beklagt wachsende Neonazi-Propaganda im Netz

Der Jugendschutz beklagt eine Verlagerung von rechtsextremer Propaganda auf soziale Netzwerke im Internet. Nach einem Bericht von "jugendschutz.net" wurden 2010 rund 6.000 deutschsprachige rechtsextreme Beiträge auf Mitmachplattformen registriert. Dies seien dreimal so viele wie im Vorjahr, so Stefan Glaser von "jugendschutz.net". Die Server lägen dabei oft im Ausland.



Rechtsextreme erreichten mit ihren Hassinhalten auf diese Weise ein immer größeres Publikum, warnte Glaser. Zudem hätten viele Beiträge einen Kampagnencharakter. Allein ein Musikvideo zum Thema Kindesmissbrauch brachte es den Angaben zufolge bislang auf knapp 900.000 Klicks.



Beim Kampf gegen den Rechtsextremismus müssten die großen ausländischen Plattformen wie Facebook und YouTube Regeln aufstellen und effektiv durchsetzen, verlangte Glaser. "Neonazis werben in sozialen Netzwerken, auf Videoportalen und Blogs um Jugendliche". "jugendschutz.net" erreiche zwar in vielen Fällen eine schnelle Entfernung strafbarer Inhalte, es gebe jedoch zu wenige Vorkehrungen, die verhindern, dass dieselben oder ähnliche Beiträge erneut hochgeladen werden.



Moderne und professionelle Angebote

Nach Glasers Angaben ködern vor allem "Autonome Nationalisten" Jugendliche mit modernen und professionellen Angeboten, auf denen sie Action, Kommunikation und Multimedia bieten. Auch die NPD werbe nicht mehr nur auf knapp 250 Websites um ein jugendliches Publikum, sondern auch mit Beiträgen in Communitys und auf Videoplattformen.



Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, forderte mehr soziale Verantwortung der Netzgemeinde: "Wir brauchen User, die unsere grundlegenden Werte verteidigen und Neonazis konsequent in die Schranken weisen." Die Bundeszentrale fördert zahlreiche Initiativen gegen Extremismus.



Martin Ziegenhagen, Leiter der Online-Beratung gegen Rechtsextremismus, ermunterte vor allem Eltern, sich kundig zu machen. "Nur wenige Eltern können mit den Medienwelten ihrer Kinder mithalten, Neonazis haben da leichtes Spiel." Eine neues Projekt im Rahmen des Bundesprogramms "Toleranz fördern - Kompetenz stärken" soll Eltern hierüber aufklären.