Die USA erinnern an den Bürgerkrieg vor 150 Jahren

Eine Messe vor der Schlacht

In der Kleinstadt Manassas im US-Bundesstaat Virginia fand eine der ersten großen Schlacht des Amerikanischen Bürgerkrieges statt. Am Wochenende gedenken die USA dieser Wendemarke der amerikanischen Geschichte vor 150 Jahren – unter anderem mit einer katholischen Messe auf Latein.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Kleinstadt Manassas im US-Bundesstaat Virginia: Auf einer von Baumgruppen gesäumten Wiese in der Nähe dieses Ortes wird sich am Sonntagmorgen, kurz nach Sonnenaufgang, eine denkwürdige Szene abspielen. In ein Zelt werden Menschen strömen, manche in sommerlicher Freizeitkleidung des Jahres 2011, andere hingegen in einer Aufmachung, als wären sie einer Zeitmaschine entstiegen: Damen in weiten Reifröcken des 19. Jahrhunderts und dem Bonnet, dem sittsamen Häubchen auf dem Kopf, Männer in Uniform, manche in Blau, andere in Grau.



Sie alle werden niederknien, wenn Father Jerry Wooten von der örtlichen "Holy Trinity"-Pfarrei den Segen erteilt. Die gesamte katholische Messe wird auf Latein gehalten, eine Sprache, die wahrscheinlich nur wenigen unter den Anwesenden geläufig ist. An diesem speziellen Tag stört es nicht. Nachdem der Priester von der Liebe Christi gekündet hat, werden die Männer in Grau und Blau den provisorischen Ort der "Sonnenaufgangsmesse" in entgegengesetzte Richtungen verlassen.



Sie werden bei ihren Regimentern Aufstellung nehmen, das Donnern der Artillerie, deren Feuerzauber so wenig zur friedlichen Stille eines Sonntagmorgens im ländlichen Amerika passen will, abwarten. Dann werden sie gegeneinander marschieren, werden mit ihren langläufigen Gewehren aufeinander schießen. Bald werden viele jener Männer, die gerade erst zusammen die Messe gefeiert haben, sich unter Schmerzgeschrei auf dem Boden unter einer unbarmherzigen Sonne winden.



Wendemarke der amerikanischen Geschichte

Glücklicherweise ist all das nur eine Aufführung, werden die Salven mit Pulver, aber ohne Bleikugeln abgefeuert. Auch hat die Dramaturgie von vornherein festgelegt, welcher "Soldat" der Union oder der Konföderierten sich zu welchem Zeitpunkt verwundet auf dem Boden der saftig-grünen Wiese zu wälzen hat.



Das Schauspiel hat, wie sollte es auch anders sein, einen besonderen Anlass: An diesem Wochenende gedenken die USA der ersten großen Schlacht des Amerikanischen Bürgerkrieges. Sie fand vor 150 Jahren an eben diesem Ort statt, nahe dem Städtchen Manassas in Virginia. An dem kleinen Fluss namens Bull Run wird das Aufeinandertreffen mit einem großen "Re-Enactment" gewürdigt: Einer Inszenierung der historischen Ereignisse vom Juli 1861 durch mehr als 8.300 Hobby-Darsteller in den blauen Uniformen des Nordens und den grauen Uniformen des Südens.



Es war in der Tat eine Wendemarke der amerikanischen Geschichte: Bis zu jenem Sommertag anno 1861 glaubte man, dass die Spaltung der Nation in einen sklavenhaltenden Süden und einen der Sklaverei ablehnend gegenüber stehenden Norden durch einen "kurzen Krieg" überwunden werden könnte. Doch bei Bull Run siegten völlig überraschend die Konföderierten aus den Südstaaten. Dem Land stand ein vier Jahre währender Bruderkrieg bevor, mit 620.000 Toten - und letztlich der Abschaffung der Sklaverei, die für immer mit dem Namen von Präsident Abraham Lincoln verbunden ist. Bull Run war so gesehen der erste Schritt auf dem so qualvoll langen Weg der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.



Gottesdienste an beiden Tagen

Bei der Aufführung holt man jetzt etwas nach, was den Kriegführenden des Jahres 1861 nicht vergönnt gewesen ist. Der katholische Gottesdienst, der von Father Wooten nach exakt jenem Ritual abgehalten wird, wie es die Gläubigen des Jahres 1861 erwartet hätten, ist ein geistiger Zuspruch, der damals den Kämpfenden nicht zuteilwerden konnte. Zu schnell, zu ungeplant fand die Schlacht statt.



Zwei Tage lang lebt die Vergangenheit in Manassas wieder auf. Am Samstag wird ein protestantischer Gottesdienst abgehalten, am Sonntag ist Father Wooten an der Reihe. Er wird, wenn die Sonne über historischem Boden aufsteigt, auf dem amerikanische Geschichte geschrieben wurde, nicht nur für das Seelenheil der Soldaten von einst und der Darsteller von heute beten, sondern auch für deren Gesundheit: die Wiederaufführung der Schlacht von Bull Run soll bei Rekordtemperaturen um 38 Grad stattfinden.