Die Hungerkatastrophe in Somalia

Lindern so gut es geht

Über Dadaab wird gerade viel berichtet, das größte Flüchtlingslager der Welt in Somalia. Doch auch in der Hauptstadt des von Hunger gebeutelten Staates ist die Not riesig. Das Elend in Mogadischu erschüttert selbst erfahrene Helfer. Und von denen sind auch noch zu wenige vor Ort.

Autor/in:
Bettina Rühl
 (DR)

Dass ein Mann in Somalia weint, kommt eigentlich nicht vor. Die Somalier sind stolz und einiges gewöhnt nach zwanzig Jahren Bürgerkrieg. Doch an diesem Morgen muss sich Abdi Hassan Hamud über die Augenwinkel wischen. Das Elend der Kinder in der Hauptstadt Mogadischu macht ihm zu schaffen. "Heute morgen wieder", erzählt er, "ein kleiner Junge, saß auf dem Boden und hat gehustet. Da hatte ich meine eigenen Kinder vor Augen." Weiter redet er nicht, um die Fassung nicht ganz zu verlieren.



Hassan, der bei der somalischen Hilfsorganisation DBG arbeitet, hat selbst neun Kinder, die jüngste Tochter ist erst vier Monate alt. Vor seiner Haustür spielen sich dramatische Szenen ab. Denn Seit Ende Juni fliehen Zehntausende Somalier vor der Dürre vom Land ins kriegszerstörte Mogadischu in der Hoffnung auf Essen und Wasser. Insgesamt hungern am Horn von Afrika mindestens zehn Millionen Menschen. Die UN erklärte den Notstand für die südsomalischen Regionen Lower Shabelle und Bay and Bakol. Zudem herrscht im Land immer noch ein blutiger Krieg.



Die Flüchtlinge schleppen sich zu Fuß in die Stadt oder kommen mit dem Lkw, werden irgendwo abgeladen und stehen im Nichts. Denn die Hilfe läuft nur langsam an. Weite Teile des Landes sind in der Hand radikaler Islamisten. Weil sie humanitäre Helfer in der Vergangenheit gezielt verfolgt und getötet haben, arbeiten kaum internationale Organisationen in islamistisch kontrollierten Gebieten. Auch das umkämpfte Mogadischu ist so gefährlich, dass die UN und andere internationale Organisationen dort seit Jahren kaum vertreten sind.



Kaum noch Geld zur Verfügung

Doch die Lage ist so verzweifelt, dass die Islamisten vor knapp zwei Wochen ihr Verbot für ausländische UN-Organisationen aufgehoben und um internationale Hilfe gebeten haben. Mehrere UN-Organisationen kündigten daraufhin an, ihre Hilfe aufzustocken. Doch bis die läuft, sind die Opfer auf die diejenigen angewiesen, die bereits vor Ort sind.



Neben Abdi Hassan Hamud stehen auf offenen Feuerstellen vier riesige Töpfe. Davor drängen sich Hunderte Menschen, in den Händen Plastikschalen, leere Trockenmilchdosen, Plastiktüten oder was sie sonst so fanden, um eine Portion Reis mit Ziegenfleisch entgegenzunehmen. Hassans Organisation DBG erhält regelmäßig Geld von der Diakonie Katastrophenhilfe und der Caritas, vom Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium.



Aber ausgerechnet als die Krise eskalierte, stand kaum noch Geld zur Verfügung. Projektanträge an die staatlichen Geber waren gestellt, aber noch nicht beschieden. Nur von den beiden kirchlichen Organisationen hatte DBG noch etwas Geld. "Da haben wir beschlossen, dass alle Mitarbeiter im Juli auf die Hälfte ihres Gehaltes verzichten", erzählt Sharifa Omar Abukar, die bei DBG für Verwaltung und Kommunikation verantwortlich ist. Auf diese Weise seien umgerechnet rund 11.000 Euro zusammen gekommen.



Caritas, Diakonie und Regierung haben Geld zugesagt

Außerdem durchforsten Sharifa und ihre Kollegen ihre Kleidungsreserven und spenden, was sie nicht unbedingt brauchen. Was sie entbehren können, verteilen sie an Dürreopfer, die vor ihrer Tür stehen, oder bringen es in eins der Krankenhäuser. Jeder in Mogadischu habe den Wunsch zu helfen, sagt Sharifa. Auch andere somalische Helfer berichten von der Großzügigkeit der Menschen in Mogadischu: Geschäftsleute, Moscheen, Einzelpersonen - alle sammeln, alle spenden.



DBG verteilt an diesem Morgen Essen in vier Flüchtlingslagern von Mogadischu an insgesamt 1.200 Familien. Ein Bruchteil dessen, das gebraucht wird. "Aber wir wollen einfach irgendwo anfangen", sagt Hassan. "Und wir hoffen, dass dann die großen Organisationen einsteigen." Denn die eigenen Reserven reichen nicht mehr lange.



Doch während die Essensausgabe läuft, erfahren Hassan und seine Kollegen, dass sie Unterstützung erhalten. Caritas, Diakonie und die deutsche Regierung haben Geld zugesagt. Und weitere deutsche Hilfswerke wie Misereor oder die Welthungerhilfe wollen Nothilfe leisten. Selbst eine Luftbrücke vom Welternährungsprogramm nach Mogadischu ist in Sicht.