Ein Jahr nach der Flut ist in Pakistan noch vieles im Argen

Neue Überschwemmungen erwartet

Vor einem Jahr zerstörte ein Jahrhunderthochwasser weite Teile Pakistans. Millionen Menschen verloren ihre Häuser und auch heute leben Tausende zwischen Trümmern. Vor Ort im Einsatz ist auch die humanitäre Hilfsorganisation Malteser International. Pakistan-Referent Dr. Jürgen Clemens schildert im domradio.de-Interview die Situation.

 (DR)

domradio: Wie ist die Situation ein Jahr nach den gewaltigen Überschwemmungen?

Jürgen Clemens: In der Hauptstadt ist die Situation nahezu normal, aber wenn man in die Projektgebiete sieht, wie unsere Kollegen tagtäglich, dann sieht man immer noch die Folgen der Flutkatastrophe. Bei uns ist es vor allem so, dass die medizinischen Teams weiterhin die betroffenen Menschen betreuen. Und wir haben mit den ersten Wiederaufbaumaßnahmen begonnen, wir bauen Gesundheitsstationen und Schulen. Unsere Partnerorganisationen bauen Unterkünfte für die Betroffenen. Und es ist dann wohl auch so, dass wir und andere humanitäre Hilfsorganisationen und die pakistanische Regierung gerade in den Gebieten, wo die Deiche noch nicht alle wiederhergestellt sind, Vorbereitungen für den bevorstehenden Monsun treffen, von dem wir natürlich wieder Überschwemmungen erwarten, die es jedes Jahr gibt, aber dort, wo die Deiche noch nicht wieder alle stehen, können sie wieder größere Flächen überfluten, als es normalerweise der Fall wäre.



domradio: Und da helfen Sie auch, indem Sie vorbeugend Brunnen schließen, abdichten?

Jürgen Clemens: Nicht schließen oder abdichten, sondern wir bohren neue Brunnen oder setzen die Handpumpen instand, verschießen sie dann aber natürlich so, dass im Überschwemmungsfall kein verschmutztes Oberflächenwasser hineinfließt und das Trinkwasser verseucht. Das ist eine der Maßnahmen, wir treffen aber noch weitere Katastrophenvorsorgemaßnahmen, um die Bevölkerung z.B. durch 1. Hilfe-Kurse und die erforderlich Ausrüstung auf eine Selbsthilfe vorzubereiten, um richtig reagieren und ihren Mitmenschen helfen zu können. Wir werden noch weiterhin in der Katastrophenhilfe tätig sein und Wiederaufbaumaßnahmen natürlich so durchführen, dass die Menschen insgesamt besser für Naturkatastrophen gewappnet sind.



domradio: Das heißt also, wenn der Monsun jetzt wieder einsetzt, ist nicht wieder mit einer solchen Katastrophe wie im letzten Jahr zu rechen? Können Sie das absehen?

Jürgen Clemens: Das ist zumindest die Erwartung. Es gibt Szenarien, die die Wetterdienste Pakistans und der Vereinten Nationen durchgerechnet haben, dass in diesem Jahr möglicherweise 2 Millionen direkt Betroffene zu erwarten, zu befürchten sind, das ist das mittlere Szenario. Es können durchaus auch mehr sein, aber gehen wir einmal davon aus, dass es nicht wieder 20 Millionen wie 2010 sein werden. Aber wie gesagt: Die allgemeine Erwartung ist schon die, dass es mehr Betroffene und größere Flächen sein werden als bei normalem Monsun, weil hier noch nicht alles wird repariert sein können.



domradio: Wie können die Lebensbedingungen der Pakistani verbessert weiter werden?

Jürgen Clemens: Letztendlich hat die Flut viele bereits bestehende strukturelle Probleme in Pakistan noch verschärft. Unsere Aufgabe ist immer noch, die Grundversorgung der Menschen zu sichern, indem wir Stationen wieder herrichten, besser ausrüsten und vor allem entsprechendes Personal ausbilden und auch die Reichweite der Hilfsleistungen verbessern, indem wir unsere Teams mit Geburtshelferinnen und Beraterinnen gerade für Frauen mit Kindern oder stillende Frauen in die Dörfer schicken, um die gesundheitliche Situation gerade von Frauen zu verbessern. Wir wollen Geburtsvorbereitungskurse durchführen und bei komplizierten Geburten auch adäquate Hilfe anbieten, sprich wir verbessern die Situation allgemein, auch und gerade in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung und dem festangestellten Personal.



Interview: Uta Vorbrodt