Pax Christi verurteilt israelische Militäraktion

"Alles wird verhindert und blockiert"

Die israelische Marine hat ein französisches Schiff mit Friedensaktivisten auf dem Weg zum Gazastreifen abgefangen. Im domradio.de-Interview verurteilt Wiltrud Roesch-Metzler, Vizepräsidentin der deutschen Sektion von Pax Christi, die israelische Blockadehaltung.

 (DR)

domradio: Gestern hat eine israelische Eliteeinheit die französische Yacht "Dignité" geentert. Weiß man konkret, wer auf dem Schiff war und was vorgefallen ist?

Wiltrud Roesch-Metzler: Insgesamt waren 16 Menschen an Bord, darunter drei Journalisten, eine Journalistin aus Israel und zwei Journalisten eines arabischen Senders. Es waren auch 10 Zivilisten dabei und eben die Besatzung der Jacht. Die israelischen Soldaten haben das Schiff geentert und die Menschen zunächst auf ein Schlauchboot verbracht und dann in den israelischen Hafen Aschdod gebracht.



domradio: Also war diesmal keine Gewalt im Spiel?

Wiltrud Roesch-Metzler: Nein, es lief alles friedlich ab.



domradio: Sie haben im vergangenen Jahr die Aktion "Schiffe für Gaza" unterstützt. Es gab auf dem türkischen Schiff Tote und Verletzte. Auch fünf deutsche waren damals auf diesem Schiff dabei. Diesmal haben die Aktivisten und ihre Begleiter keinen Widerstand geleistet. Was geschieht mit ihnen? Weiß man das?

Roesch-Metzler: Die Aktivisten und ihre Begleiter werden heute im Laufe des Tages noch abgeschoben. Die israelische Journalistin ist nicht verhaftet worden.



domradio: Die Menschen auf dem Schiff und ihre Helfer haben erneut versucht, die Blockade von Gaza zu durchbrechen. Israel blockiert weiter. Wie beurteilen Sie als Friedensbewegung diese Politik gegenüber den Palästinensern?

Roesch-Metzler: Diese Blockade ist natürlich eine schlimme Kollektivstrafe, die über die Menschen in Gaza verhängt wird. Also wenn man sich das vorstellt: Die Blockade bedeutet ja, dass die dort lebenden Menschen - das sind etwa 1,5 Millionen - ihre Familien in Jerusalem und in der West Bank nicht besuchen können, dass es keinen Studenten- oder Wissenschaftleraustausch gibt und dass sie den Gazastreifen nur in Ausnahmefällen verlassen dürfen. Und auch für uns als Gäste ist es sehr kompliziert, in den Gazastreifen einzureisen. Sie erinnern sich vielleicht: Letztes Jahr hatte Entwicklungshilfeminister Niebel versucht, den Gazastreifen zu bereisen, und wurde an der Grenze von israelischer Seite abgewiesen. Die Blockade verhindert aber auch den Wiederaufbau in Gaza, es gab ja nach Weihnachten 2008 die Bombardierungen durch die israelische Armee. Und damals wurde ziemlich viel an Infrastruktur und an Häusern zerstört, und für diesen Wiederaufbau bräuchte es Zement und Baumaterialien. Und das alles wird verhindert und blockiert.



domradio: Die Blockade nach Gaza existiert nach wie vor. Was bedeutet das für die Menschen in Gaza, dass sich da dennoch Schiffe zu ihnen auf den Weg machen?

Roesch-Metzler: Für die Menschen dort ist es natürlich ein großes Hoffnungszeichen. Es ist eine Botschaft der Solidarität, dass die internationale Gemeinschaft sie nicht vergessen hat, dass sie sich weiterhin dafür einsetzt, diese Blockade zu beseitigen.  



domradio: Was ist denn der eigentliche Hintergrund Israels für diese fortgesetzte Blockade ?

Roesch-Metzler: Israel begründet es mittlerweile mit dem Waffenschmuggel, ich denke aber, es gibt andere Möglichkeiten, Waffenlieferungen zu unterbinden. Es gibt ja z.B. auch ein Waffenembargo gegenüber dem Libanon, und trotzdem dürfen die Menschen, die libanesischen Bürger ihr Land verlassen und ein- und ausreisen. Also es braucht nicht dieses Einsperren der Menschen. Man kann das über Grenzkontrollen erreichen, was auch international im Fall Gaza so vorgesehen ist. Im Moment ist es doch eher das Problem, dass die Region sogar legal mit Waffen aufgerüstet wird, wenn Sie z.B. an die Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien oder an die U-Boot-Lieferungen nach Israel denken.



domradio: Welche Möglichkeiten sehen Sie denn, dass die beiden Parteien anstelle eines Boykotts miteinander ins Gespräch kommen?

Roesch-Metzler: Das ist im Moment sehr schwierig, weil es ja die Aussagen von Netanjahu aus dem Frühjahr dieses Jahres in den USA gibt, wo er noch einmal betont hat, dass er nicht bereit ist, auf Ost-Jerusalem zu verzichten, wo er auch abgelehnt hat, auf die Grenzen von 1967 zurückzugehen, also ein Staatsgebiet für Palästina zur Verfügung zu stellen. Das ist natürlich eine sehr schwierige Ausgangslage, also von daher sieht es für sogenannte Friedensgespräche im Moment nicht sonderlich gut aus.



domradio: Diese Aktion hat zumindest jetzt wieder politische Aufmerksamkeit geschaffen. Wie ist ihr Appell an die deutsche Regierung, aber auch an die israelische Regierung?

Roesch-Metzler: Der Appell an die deutsche Regierung ist natürlich, sich nicht an der Blockade des Gazastreifens zu beteiligen, und weiterhin Druck auf die israelische Regierung auszuüben, die Blockade aufzuheben. Es gibt ja den Bundestagsbeschluss aus dem Juli 2010, in dem alle Parteien die Blockade verurteilt haben und die Aufhebung fordern. Und es reicht eben nicht, wie die Politiker es jetzt eben geschafft haben, nur die Einfuhrlisten zu ergänzen, also dass man mittlerweile mehr Waren in den Gazastreifen einführen darf, z.B. ist jetzt Tomatenketschup erlaubt. Das reicht nicht aus! Es braucht eben im Gazastreifen selbst die Möglichkeit, dass die Menschen die dort angebauten und geernteten Tomaten in Fabriken weiterverarbeitet können und dass sie sie auch exportieren dürfen. Darum geht’s es: um eine eigene wirtschaftliche Entwicklung des Gazastreifens. Also diese Forderung haben wir schon an die Bundesregierung.