Tod vor 50 Jahren: Kirchenarchitekt Olaf Andreas Gulbransson

Zelte des Glaubens

Eine Kirche sollte sein "wie zwei Hände, die sich schützend um die Gemeinde legen", befand Olaf Andreas Gulbransson. Der Kirchenarchitekt starb mit nur 45 Jahren am 18. Juli 1961.

Autor/in:
Rieke C. Harmsen
 (DR)

Zum Zeitpunkt seines plötzlichen Todes stand er im Zenit seines Schaffens. Neun Kirchenbauten waren vollendet, weitere befanden sich im Bau oder waren so weit geplant, dass sie später durch seinen engsten Mitarbeiter Karl Schwabenbauer errichtet werden konnten. Innerhalb kürzester Zeit hatte der Architekt einen ganz eigenen Stil entwickelt mit klaren, einfachen Formen und durchdachten Raumkonzepten. Mit seinen innovativen Bauten zählt er neben Franz Lichtblau, Gustav Gsaenger, Johannes Ludwig, Alexander Freiherr von Branca, Sep Ruf oder Hans Jakob Lill zu den bedeutendsten bayerischen Kirchenarchitekten der Nachkriegsmoderne.

Die Kreativität war Olaf Andreas Gulbransson, der am 23. Januar 1916 in München zur Welt kam, gewissermaßen in die Wiege gelegt: Sein Vater war der norwegische Zeichner Olaf Gulbransson, der unter anderem für die satirische Zeitschrift "Simplicissimus" arbeitete, Mutter Grete, geborene Jehly, war Schriftstellerin. Zu Hause wurde gemalt und gesungen, musiziert und geschrieben. Nach der Trennung der Eltern lebte er abwechselnd bei der Mutter oder dem Vater, eine Zeit lang auch in Norwegen. 1935 begann er mit einem Architekturstudium an der Technischen Hochschule München.

Eigenständige Formen- und Materialsprache
Mit Kriegsbeginn wurde Gulbransson einberufen, zum Funker ausgebildet und an die Front nach Frankreich geschickt. Wegen eines schweren Lungenleidens verbrachte er ab 1940 viele Monate in einem Lazarett am Tegernsee. Von 1943 an arbeitete er als Bauassessor in der Bayerischen Staatsbauverwaltung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog Gulbransson mit seiner Frau Inger und den zwei Kindern nach München und arbeitete in der Werbeabteilung der Firma Agfa. Als freier Architekt beteiligte er sich 1953 an einem beschränkten Wettbewerb der bayerischen Landeskirche: Sein Entwurf für die Christuskirche in Schliersee wurde preisgekrönt und 1954 eingeweiht.

Gulbransson entwickelte rasch eine sehr eigenständige Formen- und Materialsprache. Er schaute sich Konstruktionen aus dem Schiffs- und Flugzeugbau an und schuf leichte, organische Dächer; er versah stumpfe Betonwände mit zarten Mustern und bunten Glasfenstern. Jedes Detail war ihm wichtig: Der Standort der Bäume am Weg zur Kirche, der Abschluss der Sitzbänke, die Lampen im Gemeindesaal, die Form des Türschlosses oder die Gestalt der Kirchturmspitze.

Gedenkgottesdienst am 24. Juli
Ausgehend von einfachen geometrischen Formen - Quadrat, Sechseck oder Dreieck - gestaltete Gulbransson den Baukörper. Dieser orientierte sich wiederum am liturgischen Mittelpunkt mit Altar, Ambo (Lesepult) und Taufbecken. Die Kirche, so war Gulbransson überzeugt, müsse ihre Funktion gewissenhaft erfüllen. Sie habe "Schale, Gehäuse zu sein für den Gottesdienst; die Gemeinde in die rechte Ordnung zum Altar, zur Kanzel und zum Taufstein zu bringen, zur Predigt und zum Abendmahl; dem Wort, dem Gebet, dem Gesang und dem Orgelspiel das rechte Gehör zu verschaffen".

Eine Kirche dürfe nicht repräsentieren, sondern müsse der Gemeinde dienen. Der Bau solle "tragen, schützen, sammeln", fand Gulbransson. Für ihn war es wesentlich, "alles Überflüssige wegzulassen, nur in größter Einfachheit und mit den verständlichsten Mitteln den Raum, das Gehäuse, die Schale zu schaffen". Elementar auch sein Umgang mit Licht: Gulbransson unterschied zwischen Hauptlicht, das auf den "liturgischen Mittelpunkt" fokussieren sollte, und einem "Leselicht" für die Gemeinde.

In den 1950er Jahren konnte sich Gulbransson vor Aufträgen kaum retten, in seinem Büro arbeiteten bis zu fünf Architekten. Oft musste er auf schwierigem Grund bauen und mit einem knappen Budget auskommen. An einigen Gebäuden nagt daher heute der Zahn der Zeit: Die Kirche in Schliersee ist wegen Einsturzgefahr seit Jahren geschlossen und wird nun renoviert; die Kreuzkirche in Nürnberg-Schweinau müsste für 1,3 Millionen saniert werden, weshalb derzeit darüber beraten wird, ob sie abgerissen werden soll.

Mit einem Gedenkgottesdienst am 24. Juli will die evangelische Gemeinde Manching (Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm) das Werk des Architekten, der nach einem unverschuldeten Autounfall auf dem Weg zu einer Baubesprechung in der Manchinger evangelischen Kirche starb, nun würdigen.