Alois Glück zum Auftakt des Dialogprozesses

"Keine Kultur der Folgenlosigkeit"

Welche Richtung nimmt der von den deutschen Bischöfen angestoßene Dialog zur Zukunft der katholischen Kirche? Erste Antworten auf diese Frage lieferte die Auftaktveranstaltung "Im Heute glauben", die am Samstag in Mannheim zuende ging. Rund 300 Vertreter aus Bistümern, Orden, Hochschulen und Verbänden diskutierten über Perspektiven für die Kirche von morgen. Im Interview schildert der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, seine Eindrücke.

 (DR)

KNA: Herr Glück, sind Sie als Chef des höchsten Laiengremiums der deutschen Katholiken zufrieden mit dem Auftakt der Dialoginitiative?

Glück: Ich bin sehr froh über diesen Start. Wir haben insgesamt ernsthafte Diskussionen mit Tiefgang geführt, ohne einander anzuklagen. Für mich war außerdem überraschend, welche große Übereinstimmung bei der Situationsanalyse und bei den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen herrschte - gerade auch im Hinblick auf notwendige Veränderungen. Darüber hinaus ging von diesem Auftakt aus meiner Sicht noch eine weitere Botschaft aus.



KNA: Welche?

Glück: Dass alle diese Themen wie etwa eine stärkere Beteiligung von Laien nicht nur das Anliegen von irgendwelchen Unzufriedenen in der Kirche oder von Verbandsvertretern sind. Sondern, dass dieser Dialog eine gemeinsame Aufgabe, ein gemeinsames Projekt der katholischen Kirche in Deutschland darstellt. Das sollte eigentlich auch eine Beruhigung und Ermutigung für diejenigen sein, die gerade in Leitungsfunktionen Angst haben, dass dieser Dialog nicht mehr kontrollierbar wird.



KNA: Könnte es aber nicht sein, dass genau dies passiert, wenn sich nicht sehr bald schon konkret etwas bewegt?

Glück: Wenn in den nächsten zwei Jahren nichts sichtbar wird an einer anderen Qualität kirchlichen Lebens, an einem anderen Erscheinungsbild von Kirche, dann werden wir in der Tat eine große Welle der Frustration und Enttäuschung erleben. Es gibt nach wie vor eine große Befürchtung, dass sich nichts ändert, dass eine Kultur der Folgenlosigkeit um sich greift. Dabei gibt es ein unwahrscheinliches Potenzial, dass nur darauf wartet, nutzbar gemacht zu werden.



KNA: Was stimmt Sie so zuversichtlich, dass es diesmal zu einem neuen Aufbruch kommt?

Glück: Die Erschütterungen des Jahres 2010 haben die Situation der Kirche in Deutschland nach innen und nach außen verändert. Es zeigt sich schon jetzt: Fragen, die man 20, 30 oder mehr Jahre tabuisiert hat, lassen sich nicht mehr einfach wegdrücken. Von daher ist eine neue Chance da - allerdings keine Sicherheit, dass der Umschwung auch tatsächlich gelingt.



KNA: Manche Stimmen plädieren für eine geistliche Rückbesinnung, anstatt über Strukturen zu diskutieren, die Deutschland ohnehin nicht ohne Rom lösen kann.

Glück: Erstens gibt es sehr viele Dinge, die man hier auf den Weg bringen könnte ohne eine Änderung des Kirchenrechts, etwa alle Fragen einer gemeinsamen Kultur der Verantwortung bis hin zu der Beauftragung von Laien in Führungs- und Leitungsaufgaben. Zweitens halte ich es für falsch, zwischen einer Vertiefung des Glaubens und einer Veränderung von Strukturen zu trennen. Nur mit neuen Strukturen wird nichts oder nur wenig besser. Aber auf der anderen Seite ist eine reine Verinnerlichung ohne eine Veränderung von Strukturen auch nicht der richtige Weg. Schließlich erleben die Menschen Kirche so, wie sie verfasst ist. Beides gegeneinander auszuspielen, wäre fatal.



Interview: Gottfried Bohl und Joachim Heinz