Caritas-Behindertenhilfe warnt vor PID-Zulassung

"Ein ganz gefährliches Signal in unserer Gesellschaft"

Beim Caritasverband haben sich nach der begrenzten PID-Zulassung Befürchtungen bestätigt. "Das Signal, was man Menschen mit einer Behinderung in unserer Gesellschaft mit einer Entscheidung für PID gibt, ist ein denkbar schlechtes", warnte Thorsten Hinz von der Caritas-Behindertenhilfe vor der Abstimmung.

 (DR)

domradio.de: Was ist Ihr Hauptargument gegen die PID?

Thorsten Hinz, Geschäftsführer der Caritas-Behindertenhilfe: Ein einziges Hauptargument kann es in der Form nicht geben. Das ist ein ganzes Konglomerat an Argumenten, die auch mich bewegen. Aber ganz wesentlich sehe ich im Moment die gesamtgesellschaftliche Perspektive: Dieser Druck nach Machbarkeit und Perfektion, der auf Frauen und Eltern ruht. Das halte ich für ein ganz gefährliches Signal in unserer Gesellschaft, wenn diese Erwartung an ein perfektes Kind sich weiter bannbrechen würde und das würden wir als Caritas eindeutig mit einer Zustimmung zur PID sehen.



domradio.de: Was würde es denn aus Ihrer Erfahrung heraus für die Gesellschaft bedeuten, wenn PID erlaubt werden würde?

Hinz: Eine Expertin hat es einmal so gesagt: Wir sind heute in der Diskussion bei dem Wunsch über das Recht und am Ende würde die Pflicht zu einem nichtbehinderten Kind stehen. Das ist eine Entwicklung, die wir genau so fürchten und einer Gesellschaft, die sich quasi zu einer Pflicht für Nichtbehinderung einsetzt, würden wir nicht zustimmen wollen.



domradio.de: Viele Menschen sagen aber genau das, dass eine Gesellschaft ohne Menschen, die an Behinderungen leiden, doch für alle Beteiligten erstrebenswert sei - was setzen Sie dagegen?

Hinz: Die aktuelle Caritas-Kampagne lautet "Kein Mensch ist perfekt". Im Grunde gehen wir davon aus, jeder Mensch hat seine Behinderungen, hat seine Defizite, hat seine Probleme. Wir wissen auch, dass über 90 Prozent an Behinderungen erst nach der Geburt erfolgen. Das Signal, was man Menschen mit einer Behinderung in unserer Gesellschaft mit einer Entscheidung für PID gibt, ist ein denkbar schlechtes.



domradio.de: Es geht in dieser Diskussion wesentlich um Menschenbild und Menschenwürde, was macht denn für Sie die Menschenwürde aus?

Hinz: Die Menschenwürde ist die Vielfalt, die in einem Menschen ruht. Diese Vielfalt anzunehmen, wertzuschätzen, mit all ihren Stärken und Schwächen. Das ist letztlich die Basis, in der wir uns in einer Gemeinschaft anerkennen und begegnen müssen.



domradio.de: Sie selber sind Geschäftsführer der Caritas-Behindertenhilfe, wie reagieren denn Menschen mit Behinderungen auf diese aktuelle Debatte um Zulassung oder Verbot von PID?

Hinz: Die Menschen sind sehr betroffen und verunsichert. Im Grunde haben wir auch eine Gespensterdebatte. 2009 hat die deutsche Bundesregierung die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verabschiedet. Hier steht die Anerkennung von Menschen mit Behinderung ganz, ganz vorne. In der Konvention wird die Bundesregierung aufgefordert, diese Ideale eines gemeinschaftlichen Lebens gerade auch für Menschen mit Behinderungen zuzulassen, zu fördern und zu stärken. Auf der anderen Seite haben wir jetzt mit der PID eine Debatte, in der Behinderung problematisiert wird. In der Debatte sagen viele, Behinderung ist heute eigentlich vermeidbar, sollte verhindert werden. Das macht den Menschen, die heute mit Behinderung in unserer Gesellschaft leben große, große Angst und erinnert sie ein Stück weit auch an eine sehr grauenvolle Vergangenheit in unserer deutschen Geschichte.



domradio.de: Das heißt, Sie fordern auch eine grundsätzliche Änderung der Einstellung zu Menschen mit Behinderung?

Hinz: Ganz grundsätzlich. Mir fällt auf, dass die Diskussion um PID weitaus mehr Öffentlichkeit gefunden hat als beispielsweise die gerade erwähnte UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Auch das zeigt, dass es im Grunde in eine andere Richtung geht, als es eigentlich von den Idealen der Grundrechte, der Menschenrechte gehen müsste.