Wirtschaftsexperte verteidigt die schwarz-gelben Steuerpläne

"Wenn nicht jetzt, wann dann?"

Die schwarz-gelbe Koalition stößt mit ihren Plänen für Steuersenkungen auf Widerstand von CDU-geführten Bundesländern, Kritik kommt von mehreren Ministerpräsidenten. Winfried Fuest vom Institut der deutschen Wirtschaft dagegen befürwortet die Verabredung vom Wochenende im domradio.de-Interview.

 (DR)

Die Steuern ab 2013 zu senken - darauf haben sich Vertreter von Union und FDP verständigt - sei "ökonomisch sinnvoll". Der aktuelle wirtschaftliche Aufschwung habe dafür gesorgt, dass bereits in den ersten Monaten des Jahres 18 Milliarden Euro mehr eingenommen worden seien gegenüber der letzten Steuerschätzung.



"Deshalb kann man sagen: Wenn nicht jetzt, wann dann?!", so der Wirtschaftsprofessor in dem Interview mit domradio.de am Montag (04.07.2011). Grundsätzlich sei es notwendig, "das Steuersystem fairer und gerechter zu machen". Das Stichwort "Gerecht" werde häufig missbraucht.



Kritik von CDU-Ministerpräsidenten

Mehrere CDU-Ministerpräsidenten dagegen warnten vor einer Belastung der Länder-Etats durch Steuersenkungen. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller sagte, sein Land habe "keinerlei Spielräume", um Mehreinnahmen zur Finanzierung von Steuerentlastungen einzusetzen. Ähnlich äußerte sich der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen.



Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht sagte der "Stuttgarter Zeitung", sie verstehe nicht, "warum sich die Bundesregierung an solchen Fronten verkämpft". Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte dem Radiosender MDR Info, es gebe auf absehbare Zeit keinen Spielraum für Steuersenkungen.



Sein hessischer Amtskollege Volker Bouffier erklärte ebenfalls, die Länder "können sich das nicht leisten, da muss man drüber reden, wie es gehen soll." Bouffiers Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) verteidigte hingegen die Koalitionspläne. Die Kombination aus Steuersenkung und Absenkung von Sozialversicherungsbeiträgen werde sicherlich am besten kleine und mittlere Einkommensbezieher entlasten, sagte Schäfer dem Hessischen Rundfunk.



Die Spitzen von Union und FDP hatten sich am Wochenende darauf verständigt, Steuern und Sozialabgaben zum Jahresbeginn 2013 zu senken. Details stehen allerdings noch nicht fest.



Barthle vermisst Finanzierung

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, konkrete Vorschläge zur Größenordnung der Steuererleichterungen werde es im Herbst geben. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle, vermisst allerdings eine Finanzierung für die Pläne. Der Wunsch nach einer Entlastung der unteren und mittleren Einkommensbereiche ab 2013 sei zwar verständlich, finanzielle Spielräume dafür sehe er ohne Gegenfinanzierung aber derzeit nicht, sagte Barthle "Handelsblatt Online".



Die Opposition ließ kein gutes Haar an der schwarz-gelben Einigung. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte der Nachrichtenagentur dapd, es sei ein "verantwortungsloser Umgang mit Steuerzahlergeld, dass für die Wiederbelebung einer Partei im Wahljahr 2013 Milliarden zum Fenster rausgeworfen werden sollen". Özdermirs Ko-Vorsitzende Claudia Roth sprach von einem "miesen Deal" der Koalition. Die Einigung erscheine als "Überlebenspaket für eine siechende FDP". Auch die Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch sagte dapd, es gehe darum, die FDP "künstlich am Leben zu erhalten".



SPD-Fraktionsvize Joachim Poß lehnte es ebenfalls ab, eine "Steuersenkung auf Pump" zu machen. Poß forderte im ARD-"Morgenmagazin" Gegenfinanzierungsvorschläge. Zudem kritisierte der SPD-Politiker, die Parteichefs von CDU, CSU und FDP hätten den Bundesfinanzminister mit ihren Plänen überfahren. Der Beschluss "widerspricht der von Schäuble für die nächsten Jahre geplanten Haushalts- und Finanzpolitik diametral", sagte Poß in Berlin.



Schäuble fordert offenbar ebenfalls eine Gegenfinanzierung. Spielräume könnten nur durch zusätzliche Einsparungen sowie den Verzicht auf großzügige Sicherheitspuffer erreicht werden, berichtete der "Focus" unter Berufung auf Schäubles Umfeld. Ohne Sparvorschläge im Etat wolle er keine Steuerentlastung mitmachen.