Der bundesweit erste Trauerort für Flüchtlinge in Düsseldorf

Trauern in der Fremde

Jeder Mensch braucht einen Ort zum Trauern, heißt es. Doch vor allem Migranten und Flüchtlingen fehlt er. Mit ihrer Heimat lassen sie auch die Gräber ihrer Familienmitglieder und Freunde zurück. So manche seelische Wunde kann deswegen nicht heilen und blockiert einen Neuanfang.

Autor/in:
Bettina von Clausewitz
 (DR)

Im November soll daher der bundesweit erste interkulturelle Trauerort für Flüchtlinge auf dem Gelände der evangelischen Diakoniekirche Bergerkirche in der Düsseldorfer Altstadt eröffnet werden und Menschen verschiedener Kulturen und Religionen zur Verfügung stehen. Am Dienstag gibt es bereits einen ersten "Nachmittag der offenen Tür".



"Trauern ist für uns eine gemeinsame Sache, es reicht nicht, wenn man allein im Schlafzimmer eine Kerze anzündet", erzählt die ehemalige Polizistin Marthe Ngomba-Matanda von ihren Erfahrungen nach dem Tod der Mutter. Ngomba-Matanda kam vor sieben Jahren als Flüchtling aus dem Kongo. Auch ihre verstorbene Schwester und viele andere Menschen vermisst sie schmerzlich.



"Das ist wie ein Loch, wie eine große Leere", sagt die 46-Jährige, die heute als Dolmetscherin im Psychosozialen Zentrum (PSZ) für Überlebende von Folter, Krieg und Gewalt in Düsseldorf arbeitet. Und sie macht in der federführenden Projektgruppe "Trauerort" mit. Denn hier im Beratungs- und Therapiezentrum PSZ ist im Laufe der Jahre die Idee entstanden, das zu schaffen, was vielen Flüchtlingen und Zuwanderern fehlt: ein interkultureller Trauerort für Menschen aller Religionen.



"Verdrängte Trauer blockiert einen Neuanfang"

PSZ-Sozialteamleiterin Annette Windgasse ist eine der Initiatorinnen, die konkrete Schicksale vor Augen hat. Eine Klientin aus Äthiopien etwa, die auf der Flucht vergewaltigt und schwanger wurde. Sie trieb das Kind in Deutschland ab, heiratete später und wurde Mutter. "Aber die Trauer um dieses eine Kind, das nie auf die Welt kommen konnte, hat die Frau unglaublich belastet", erzählt Windgasse. Demnächst können traumatisierte Menschen wie sie nur wenige Minuten vom PSZ entfernt zur Bergerkirche gehen, um dort zu trauern, zu beten und zu weinen. "Verdrängte Trauer blockiert einen möglichen Neuanfang", lautet die Erfahrung von Windgasse.



Mit der Düsseldorfer Künstlerin Anne Mommertz hat das PSZ-Team eine Partnerin gefunden, die sich ebenfalls seit langem mit dem Thema "Zuhause" beschäftigt. Ihr Entwurf für die Gestaltung des Trauerortes an der Bergerkirche wurde von einer Jury unter 51 Einsendungen ausgesucht: ein spiralförmig angelegter offener Weg, der zur Mitte hin auf eine Feuer-Wasser-Schale zuläuft, ringsum Bänke und hoher schützender Bambus. "Es war nicht einfach alle Kriterien der Ausschreibung zu erfüllen", erzählt Anne Mommertz. "Keine religiösen Symbole, aber auch nichts, was traumatische Erinnerungen wachrufen könnte wie Draht, Stahl oder Beton."



"Trauer verbindet uns universell"

Bis vor kurzem hat Mommertz als Bauleiterin die Gartenbaufirma begleitet, die den kleinen Park mit alten Bäumen und Vogelgezwitscher mitten im Trubel der pulsierenden Altstadt umgestaltet. "Ich glaube, dass ganz viele Menschen diesen Ort nutzen könnten, auch wenn die Eltern nur in Bayern beerdigt sind", glaubt Mommertz. In einer Stadt wie Düsseldorf mit hoher Mobilität seien viele Menschen entwurzelt.



Bei einem "Nachmittag der offenen Tür" am Dienstag wird der erste Bauabschnitt vorgestellt, aber es geht auch um weitere Finanzmittel. Bisher hat die Diakonie ihr Gelände zur Verfügung gestellt, Stadt, Land und Stiftungen zählen ebenso zu den Unterstützern des 80.000 Euro teuren Projekts wie der evangelische Kirchenkreis Düsseldorf und die rheinische Landeskirche. Aber das reicht nicht. "Für die zweite Bauphase fehlt noch Geld", sagt Windgasse. Zur Pflasterung der Wege etwa, für die Abendbeleuchtung, damit kein Angstraum entsteht, und für die Bepflanzung.



"Trauer verbindet uns universell", lautet die Erfahrung der langjährigen Therapeutin. Deshalb sieht sie gute Chancen, dass die ursprünglich als Trauerort für Flüchtlinge geplante Anlage zu einem Ort der Integration für die ganze Stadt werden könnte: "Ich hoffe, dass Zuwanderer, Flüchtlinge und einheimische Deutsche hier ein tieferes Verständnis füreinander entwickeln."