Bundestag diskutiert Organspenden

Widerspruch als Lösung?

Im Bundestag ist heute wieder die Organspende Thema. In der Diskussion um eine Neuregelung sprachen sich im Vorfeld Politiker von Union und SPD gegen die sogenannte Widerspruchslösung aus – genau wie der Moraltheologe Moraltheologe Josef Schuster bei domradio.de vor wenigen Wochen.

 (DR)

Bei der Widerspruchslösung  gilt die Zustimmung zur Organspende nach dem Tod als erteilt, wenn man ihr nicht ausdrücklich widerspricht. Eine solche Regelung würde nicht dem Schutz der Würde und der Freiheit des Menschen entsprechen, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder (CDU), der Tageszeitung "Die Welt" (Mittwochsausgabe). Auch die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD) lehnte eine Widerspruchslösung ab.



Der Gesundheitsausschuss des Bundestages befasst sich am Nachmittag mit einer Neufassung des Transplantationsgesetzes. Dazu ist eine Expertenanhörung vorgesehen. Außerdem beraten die Gesundheitsminister der Länder in Frankfurt am Main zu dem Thema. In Deutschland gibt es jährlich etwa 12.000 Menschen, die auf ein Spenderorgan warten. Ein Drittel von ihnen stirbt jedes Jahr vor der lebensrettenden Transplantation.



"Die Widerspruchslösung ist ein Vorschlag, der sehr tiefgreifende ethische Bedenken mit sich bringt und der Eingriff ins Selbstbestimmungsrecht geht wirklich sehr, sehr weit", sagte die Gesundheitsministerin von Rheinland-Pfalz, Dreyer, im Südwestrundfunk. Daher sei die sogenannte Entscheidungslösung die bessere. Danach würden alle gefragt, ob sie Organe spenden wollten oder nicht. Das nähme auch die Last von Angehörigen, nach einem plötzlichen Todesfall über Organspenden entscheiden zu müssen, wie es jetzt oft der Fall sei, unterstrich Dreyer.



Kauder dagegen

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Kauder, lehnte neben der Widerspruchslösung auch eine Erklärungspflicht der Bürger zur Organspende ab. "Organspenden sind eine höchstpersönliche Angelegenheit. Sie betreffen die menschliche Würde, die auch nach dem Tod zu achten ist. Deshalb darf es hier keinen staatlichen Zwang geben", sagte der CDU-Politiker.



   Der Staat dürfe die Bürger lediglich fragen, ob sie zur Organspende bereit wären. Dies könne etwa bei der Aushändigung des Führerscheins geschehen. Er werde sich für eine solche Lösung auch in den kommenden Monaten einsetzen, kündigte der Fraktionschef an. Kauder forderte, dass man nach der Expertenanhörung am Mittwoch im Gesundheitsausschuss "zügig im weiteren Gesetzgebungsverfahren voranschreiten" sollte". "Bis Jahresende sollten wir ein neues Gesetz verabschiedet haben", sagte der CDU-Politiker.



"Nicht vermittelbar"

Auch der Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) wandte sich gegen den Vorstoß seines Parteikollegen und bayerischen Gesundheitsministers Markus Söder (CSU), die in Deutschland geltende Zustimmungsregelung für eine Organspende in eine Widerspruchslösung umzuwandeln. "Der Staat darf in unserem freiheitlich-demokratischen System gar nicht so stark in die Persönlichkeitsrechte eines jeden Einzelnen eingreifen", sagte Singhammer. Er forderte eine grundsätzliche Debatte darüber, wann ein Mensch tatsächlich tot ist. "Aus der Wissenschaft kommen Zweifel, ob der Hirntod noch als Definition des Todes gelten kann", sagte Singhammer der "Berliner Zeitung" (Mittwochsausgabe). So habe 2008 der Bioethikrat der USA festgestellt, dass das Funktionieren des Körpers nicht unbedingt kurz nach Eintritt des Hirntodes aufhöre.



Gegen den Vorstoß Söders wandte sich auch die Gesundheitsministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD). "Eine automatische Regelung, wie sie die Widerspruchslösung vorsieht, halte ich für nicht vermittelbar", sagte sie der "Berliner Zeitung".



Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU) äußerte die Hoffnung auf eine parteiübergreifende Lösung für ein neues Gesetz zur Organspende. Es gebe bislang eine Lücke zwischen der grundsätzlichen Bereitschaft, ein Organ zu spenden, und der Bereitschaft, einen Spenderausweis mit sich zu tragen, sagte sie im Deutschlandradio Kultur. Deshalb sei es wichtig, stärker um Vertrauen zu werben und mehr Aufklärung zu betreiben.