Landesausstellung über Werk und Welt des "Naumburger Meisters"

Die schönste Frau des Mittelalters

Bis heute gilt Uta von Ballenstedt als "schönste Frau des Mittelalters". Jahrhunderte lang inspirierte die Skulptur der berühmtesten Stifterfigur des Naumburger Doms die Kunst. Das Dritte Reich missbrauchte sie zu Propagandazwecken, und die Disney-Studios nahmen sie zum Vorbild für die böse Stiefmutter in ihrem "Schneewittchen"-Zeichentrickfilm von 1937.

Autor/in:
Markus Nowak
 (DR)

Ihr namentlich unbekannter Schöpfer, der aus Frankreich stammende "Naumburger Meister", blieb dagegen im Dunkel der Geschichte. Sachsen-Anhalts neue Landesausstellung soll ab Mittwoch (29.06.2011) erstmals umfassend in sein Werk und seine Welt einführen.



Unter dem Titel "Der Naumburger Meister - Bildhauer und Architekt im Europa der Kathedralen" sind in Naumburg über 500 hochkarätige Exponate aus zahlreichen Ländern vereint. Mitkurator Holger Kunde schätzt sich "glücklich, so viele Objekte dieser Qualität endlich in einem europäischen Zusammenhang zu zeigen". Jedes dritte kam aus Frankreich, weitere aus Österreich, Polen und Großbritannien. Welche Bedeutung dieser internationalen Schau beigemessen wird, beweist die Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nikolas Sarkozy.



Umstrittene Deutung

Die Exponate sind an mehreren Orten des Stadtzentrums zu sehen. Dort werden jeweils unterschiedliche Aspekte der Sakralkunst des 13. Jahrhunderts präsentiert. Im Schlösschen am Markt führen Baupläne auf Pergament in die Kathedralbaukunst jener Epoche ein. Mittelalterliche Originalskulpturen oder deren Abgüsse aus der Kathedrale Notre-Dame im französischen Reims veranschaulichen in der Marienkirche am Dom die Ausstrahlungskraft, die von der Krönungskirche der französischen Könige auf die europäische Gotik insgesamt ausging.



In Reims verzahnten sich Architektur und Skulptur im Schaffen von "Bildhauer-Architekten", zu denen auch der "Naumburger Meister" zählte. Sein Hauptwerk bildet den Kern der Ausstellung: Es ist der Westchor des Naumburger Doms mit zwölf Stifterfiguren, unter ihnen Uta. Die Deutung des um 1250 errichten Chores ist umstritten, denn die lebensgroßen Statuen befinden sich an einer exponierten Stelle, die in anderen Sakralbauten Heiligendarstellungen vorbehalten blieb.



Traum von Kunsthistorikern wird wahr

Die Ausstellung erklärt die für die damalige Zeit ungewöhnlich naturnahen Skulpturen mit der Verbildlichung der ritterlich-höfischen Kultur im 13. Jahrhundert. Gerade hier werde die "Handschrift" des Naumburger Meisters deutlich, erklärt Kurator Kunde. So ließen sich an der Form, wie die Kleidungsstücke gerafft sind, und am Gesichtsausdruck der Figuren auch Steinmetzarbeiten in Mainz oder Meißen dem "Naumburger Meister" zuordnen.



"Ein Traum von Generationen von Kunsthistorikern wird wahr", jubelt Kunde. Die Ausstellungsmacher haben aber nicht nur das Fachpublikum im Blick. In den kommenden vier Monaten erwarten sie mindestens 150.000 Besucher. Ihre Hoffnungen sind offenbar berechtigt. Schon vor Eröffnung der Schau gibt es über 25.000 Kartenanfragen.



Hinweis: Die Ausstellung "Der Naumburger Meister - Bildhauer und Architekt im Europa der Kathedralen" ist bis zum 2. November täglich von 10 bis 19 Uhr, freitags auch bis 22 Uhr geöffnet. Ein zweibändiger Katalog mit rund 1.000 Seiten kostet 49 Euro.